Kraftklub 2018
                         Die Gesellschaft hat uns eingeredet, wir sollten unser Leben wie ein 18-jähriges Model aussehen. Aber ich denke ich kann genauso gut auch das sein, was ich bin.   Clint Eastwood



Bamberg, Brose-Arena 25.02.2018


Spätestens wenn man die Brose-Arena, die drittgrößte Multifunktionshalle Bayerns,  in Bamberg erreicht hat, weiß man ziemlich genau, was bei der Jugend musikalisch angesagt ist. Eine lange Schlange meist junger Menschen beim Einlass ist ein eindrucksvoller Beleg, wie die 2010 gegründete Chemnitzer Band Kraftklub an Popularität gewonnen hat. Aus einer Band der 2011 Stefan Raabs Bundesvision Song Contest eine große mediale Aufmerksamkeit beschert hatte, als man für Sachsen einen beachtlichen 5. Platz belegte, ist eine große Nummer geworden. Kraftklub eilt als tolle Liveband ein wirklich guter Ruf voraus, sicher ein weiterer Grund, dass die Arena sehr gut besucht, wenn auch nicht ganz ausverkauft war. Und um das gleich vorweg zu nehmen, Kraftklub hat den Titel „furiose Liveband“ völlig zu Recht.
Bevor es mit Kraftklub losging, ließ es sich Sänger Felix Brummer nicht nehmen den musikalischen Support des Abends anzukündigen, wie Kraftklub selbst aus Karl-Marx-Stadt kommend, wie sie so schön immer über ihr Chemnitz sagen.
Blond ist ein Trio, bei der die Frauenquote perfekt umgesetzt wurde. Und die einen besonderen Bezug zu Kraftklub haben, denn Sängerin Nina und Schlagzeugerin Lotta sind die jüngeren Schwestern der Kraftklub-Mitglieder Felix und Till. Hinzu kommt Keyboarder und Bruder im Geiste Johann, der daneben auch noch Gitarre und Bass spielen kann. Fertig ist eine Band deren Entwicklung man beobachten sollte. Sie machen wie sie selbst sagen eine Mischung aus Indie Pop und Las Vegas Glamour und das klingt fast so skurril, wie es der Auftritt war. Da sitzt Lotta geschlagene 3 Songs hinter ihrem Schlagzeug, verzieht wirklich keine Miene, drischt auf ihr Schlagzeug ein und wirkt, als hätte sie gar keinen Spaß an dem was sie da macht. Und plötzlich, nachdem die Fotografen den Graben verlassen mussten, wird sie zur Stimmungskanone.  
Dank ihrer Wandlung von der introvertierten Schlagzeugerin hin zur extrovertierten Rampensau hat die Band mit der nun folgenden Hip-Hop Nummer beim Publikum gewonnen.
Genauso skurril ist übrigens auch der Promotext zur Band:
"Blond, das ist der verbeulte Kaugummi-Automat, die misshandelte Barbie Puppe. Blond ist das Aufstoßen nach dem Genuss eines grellen Energydrinks."
Alles klar?
 Als die ersten Töne von Kraftklub erklangen, der große Vorhang zu Boden fiel der den Blick auf die Bühne während des Umbaus versperrte und Sänger Felix Brummer loslegte wurde die Arena in kürzester Zeit zum Hexenkessel. Ohne jetzt die Fähigkeiten der 4 Musiker an Gitarre, Bass, Keyboard und Schlagzeug klein reden zu wollen, aber der Frontmann von Kraftklub ist schon eine Ausnahmeerscheinung. Einer, der mit unglaublichen Bühnenpräsenz ausgestattet, sofort mitreißt und dabei auch noch höchst sympathisch und normal rüberkommt. Wie geschaffen für die Kraftklub Mugge, die sowohl den Punk-Rock-Fan, wie auch den Rap-und Hiphop Fan anspricht. Selbst Deutschrock und Indieliebhaber werden von den Chemnitzern bestens bedient, sicher ein Grund, wieso die Popularität von Kraftklub immer mehr zunimmt.  Der andere sind definitiv die Live-Qualitäten, Brummer schafft sie im Laufe des Konzerts alle, die in den ersten Reihen schon gleich. Aber auch die anderen, die auf den Sitzplätzen, auch die stehen geschlossen irgendwann und feiern zusammen die große Kraftklub Party. Nach 3 Songs hat sich der erste der Musiker seines schicken Sakkos entledigt, ein untrügliches Zeichen, dass jetzt der Punk abgeht. Und das ist mein größter Makel des Konzerts, nach 3 Songs war Schluss mit Fotos und das ist in dem Fall wirklich bitter, weil man vieles spektakuläre noch unbedingt hätte festhalten müssen.
Aber zurück zum Konzert und Sänger Brummer, der in einer Ansprache noch ausdrücklich betonte, dass all die Herren der Security extra für das Publikum da sind und wann immer einer ein Mädel begrapscht man sich sofort an sie wenden soll. Eigentlich traurig, dass in der heutigen Zeit sowas überhaupt nötig ist, aber sinnvoll es zu thematisieren und auch mal darauf hinzuweisen, dass die Security für die Konzertbesucher zum Schutz da sind und nicht um die zu schikanieren.
Dass Kraftklub auch Punk sind zeigt der von den Ärzten inspirierte Song Sklave recht deutlich, dessen Textzeile „Lass mich dein Sklave sein“ wohl jeden in der Halle bekannt vorkommen dürfte. Der Song ist daneben auch ein richtig gutes Beispiel, für die Songschreibequalitäten der Band, die sich nicht scheuen gesellschaftliche Probleme anzusprechen. So wie hier, als man mit der Textzeile „Ich schlafe im Büro, ich lebe im Betrieb, Der Überstundenübernehmer…“ die Betriebssklaverei moderner Betriebe offen anspricht. Und dazu wird dann schon mal die Peitsche als Utensil dazu benützt um den Mitmusikern mehr symbolisch eine überzuziehen, wie es heute in den Betrieben so weit verbreitet ist. Also die Betriebssklaverei, nicht den Mitarbeitern mit der Peitsche eins drüber zu ziehen. Das löst man heute leider oft eleganter bzw. hinterfotziger.
Mucksmäuschenstill wurde es im Publikum, als Brummer ankündigte, das Set kürzen zu müssen, da Kraftklub ja auch nur Menschen sind. Denn statt den von der Band am liebsten gewünschten acht Stunden, trotz des tollen Publikums auf drei. Die wurden es dann zwar auch nicht, aber wer war da nach so einem furiosen Auftritt wirklich traurig darüber? Als man dann das Glücksrad mit verschiedenen Songtiteln der Band auf die Bühne holte hatte Maxime ihren großen Auftritt. Die erdrehte sich „Scheiß in die Disko“ und bewies dann echt Mut, als sie nach der Frage ob sie normal die Bühne wieder verlassen will oder Lust auf Stagediving hätte kurzerhand und für sie zum ersten Mal mit Anlauf in die Hände des Publikums sprang. Respekt!
Eine dieser Ansagen, die auch im Gedächtnis blieben, war Brummers Hinweis, dass es im Leben auch Momente gibt wo man verliert, dass das auch zum Leben dazugehört und es trotzdem weiter geht. Passend dazu gab es mit „Fan von Dir“ auch gleich den richtigen Song, der mit der Textzeile „Ich wär auch gern Gewinner, statt ständig zu verlieren“ zu Beginn des Songs genau das thematisiert.
Natürlich wurde während des Konzerts auch immer wieder das Publikum mit einbezogen, egal ob der Sänger die „linke Seite“, „Mitte“ oder „rechte Seite“ ansprach oder es mit Hilfe eines Scheinwerfers und den Hinweis „geh nicht ins Licht“ in 2 Hälften teilte. Noch mysteriöser sind allerdings diese unerklärlichen Kornkreislöcher im Publikum die sich immer wieder bildeten ohne, dass irgendwer ein Kommando gab.  Ein Herzensding war es Brummer auch, darauf hinzuweisen, dass er zwar aus „Karl-Marx-Stadt“, Bundesland Sachsen, stammt wo die AFD so unverschämt viel Stimmen bei der letzten Wahl erhalten hatte, sich aber deutlich vor Fremdenhass und der Partei distanzierte. Und was passt da besser als den Song „Schüsse in die Luft“ folgen zu lassen. Schön, dass er sich da auch nicht durch eine Anzeige wegen Beleidigung bei einem Konzert hat entmutigen lassen.
Und so betonte er auch, dass sie eigentlich gekommen sind um Liebe zu schenken, gerade auch durch die Musik. So wie halt typisch Kraftklub mit dem folgenden Song „Dein Lied ganz allein“ während die Halle zum einzigen Handylichtermeer wurde, bereits das zweite Mal an diesem denkwürdigen Konzertabend, während der Überhit von Polarkreis 18 „Allein Allein“ geschickt in den Song mit eingearbeitet wurde.
Dann entdeckte Brummer doch tatsächlich ein Rammstein Shirt im Publikum, was ihn an die Rammsteinvorbandzeit erinnerte, wo man wie er sagte bei den Rammstein-Fans nicht wirklich gut ankam.
Immer wieder begrüßte er beim Singen nebenbei auch die ankommenden Crowdsurfer, bis einer beim Händeschütteln den völlig überrumpelten Sänger von der Bühne zog. Brummer nahm es mit Humor und sang nach der kurzen Kletterunterbrechung während nur die Band weiterspielte grinsend weiter. Dieser Vorfall hätte aber auch dumm ausgehen können und es zeigt wie auch später als man den Crowdsurfenden Sänger einfach den Schuh auszog, dass Nähe zum Publikum so toll wie das für die Fans auch ist, auch immer ein ziemlich unkalkulierbares Risiko darstellt. Respekt, wenn sich eine Band die Nähe zum Publikum trotzdem so exzessiv traut wie Kraftklub.
Ein absoluter Knaller war dann die Zugabe, als die schon unbeschreiblich gute Stimmung in der Halle noch ekstatischer wurde. Grund war die Idee von Kraftklub das Publikum zu besuchen, da man ja nicht alle persönlich begrüßen kann. Und so kam die Band mit einer fahrbaren Hebebühne musizierend in den Zuschauerraum gefahren. Dadurch kam man auch in den letzten Winkel der Halle und selbst den Besuchern auf den Rängen ist die Band auf einmal, wenn auch nur für einen kurzen Moment, ganz nah. Das langt Felix Brummer aber noch immer nicht, singend auf dem Geländer stehend, musste man Angst haben, dass er irgendwann das Gleichgewicht verlieren und kopfüber in die Menge fallen würde. Sie hätten ihn aber sicher aufgefangen, wie im Anschluss beim Stagedivingwettbewerb, wo der Sänger gegen die Musikerkollegen keine Chance hatte und als letzter die Bühne erreichte, weil er zwischendrin wie schon erwähnt um seinen Schuh kämpfen musste.
Als dann Band und alle im Publikum das Ende der Spring und Tanzparty zum Beatles Refrain „Hey Jude“ feierten, danach Rio Reiser mit „Julimond“ erklang hatte der eine oder andere im Publikum endlich Zeit auch das verlorengegangene Shirt wieder zu suchen. Verlorengegangen ist es, als Brummer sich den ständig immer wieder ertönenden Auszieh-Auszieh-Rufen fügte und sich dem Shirt entledigte, allerdings nur unter der Bedingung, dass auch das Publikum mitmacht. „Wie sagte er so schön, erst ausziehen und dann sowas“. Gut als Chippendale taugt er und seine Bandkollegen vielleicht wirklich nicht, aber wen interessiert das schon. Viel wichtiger ist, dass Kraftklub es großartig verstehen, das Publikum grandios zu unterhalten, sich trauen den Mund aufzumachen und Texte schreiben, die nicht nur den Bauch und das Tanzzentrum. sondern gleichermaßen das Hirn bedienen.  Am 11.03. hat man übrigens die Chance die Band in Sachsen zu erleben. Zwickau ist definitiv eine Reise wert, auch aus Bamberg und schon gleich, wenn man sie noch nie gesehen hat. Aber selbst, wenn man in Bamberg dabei war, ist die Lust auf eine Wiederholung unbeschreiblich groß.

Die Bildergalerien des Abends



Kraftklub
































































































































































































































































































Blond














































































































































































































































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