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Slow Down Festival 2017
       If you want more time, freedom and energy, start saying NO


Markneukirchen,  Framus und Warwick  01.07.2017





„Ein Tag mit Prinzipien: Kopf aus, Seele baumeln lassen und mit offenen Augen träumen.“ So wurde das Slow Down Festival im Vorfeld beworben und das trifft es wirklich gut. Beides, also die Seele baumeln lassen und mit offenen Augen bei toller Musik vor sich hin träumen konnte man tatsächlich richtig gut. Ganz anders wie sonst in Markneukirchen zählen diesmal die ruhigen Töne, sonst sind es ja leider fast nur Metal-Events, die man in den 2 schönen Konzerthallen erleben kann.
Eigentlich war das Festival als Open Air geplant, die schlechten Wetterprognosen kosteten sicher einige Besucher, auch wenn das Event kurzfristig in die kleine Musikhalle verlegt wurde. Leider ohne es im Vorfeld noch entsprechend bekanntzugeben. So bleiben aber alle trocken und konnten völlig entspannt, selbst im Liegestuhl 8 Stunden Musik vom Feinsten genießen. Der ganzem Veranstanltung tat das aber definitiv keinen Abbruch, ganz im Gegegnteil. 
Was das Line Up betrifft,  hat Stefanie Zehmisch und Warwick echt ein glückliches Händchen bewiesen, passten die Bands doch großartig zum Motto des Tages und die Musiker verstanden sich auch untereinander prächtig, so dass die ganze Veranstaltung wie ein großes Familientreffen wirkte. 
Auch der Rahmen passte, neben dem schon fast süchtig machenden Metalnade, eine Mischung aus Zitronenlimo mit leckerem Met gab es Korean Beef, ebenfalls extrem lecker, um nur mal 2 der vielen Gaumenfreuden zu erwähnen.
Der Rahmen, bis auf das Wetter, passte also perfekt, einzig deutlich mehr Zuschauer hätte die Veranstaltung verdient. Aber ein neues Festival zu etablieren kostet etwas Geduld, noch dazu, wenn man bisher so stark rein im Metal unterwegs war.

Carolin Greiner


Nun aber zum Musikprogramm und der ersten Künstlerin des Tages Carolin Greiner.
Die Leipzigerin singt über die kleinen und großen Merkwürdigkeiten des täglichen Lebens und dies mit Gitarre, Ukulele oder selbst am Klavier begleitend in Deutsch und Englisch. Der Singer-Songwriter Pop erfordert ein ruhiges Publikum, was an diesem Tag übrigens bei allen Künstlern vorbildlich anwesend war. Da wurde nicht ständig gequatscht, sondern jeder Auftritt aufmerksam verfolgt. Besser geht es nicht. Entsprechend viel Spaß hatte Carolin Greiner bei ihrem Auftritt der prächtig ankam und als starker Auftakt Lust auf mehr machte.

Wait for June


Und den bekam das Publikum beim Auftritt von Wait for June gleich zur Genüge. Erst ganz kurzfristig waren sie als Ersatz ins Line Up gerutscht, ein absoluter Glücksfall für das Festival. Wait for June waren kein Ersatz, sondern ein Mega-Gewinn an diesem Tag. Es ist wirklich der perfekte Soundtrack zur Wartezeit auf einen langanhaltenden Sommer, wie sie so schön über sich selber schreiben. Da man eigentlich in Deutschland ja ständig darauf hofft, gerade auch im eiskalten Winter, so ist die Musik der Band ein Ganzjahreshörerlebnis mit Guter Laune Garantie. Mit Jule Jochem und Manuel Sohn hat man dazu gleich 2 überzeugend gute Stimmen, die mit viel Charisma ausgestattet sind, zu bieten. Und gerade die Dame der Band bleibt extrem im Gedächtnis haften und im Gehör kleben.
Ähnlich wie die danach folgenden Nick and June hat man mit Glockenspiel, Banjo, Melodica und Ukulele gleiche Instrumente am Start, klingt trotzdem deutlich anders und passt trotzdem so wunderbar zusammen. Die 2 Bands hintereinander waren ein ganz besonderer musikalischer Genuss. Wer sich selbst ein Bild machen will, der kann
hier 2 Songs kostenlos downloaden, die so richtig Lust auf das Album Transition machen. Die Entdeckung des Festivals schlechthin und eine Band von der man noch viel Positives hören wird, wenn man es schafft so zusammenzubleiben.
  

Nick and June


Wie die Faust aufs Auge passt der Bandname von Wait for June auf die Situation von Nick and June in den letzten Wochen, die auch diesmal ohne June auskommen mussten.
Leider wohl für immer. Das ist auf der einen Seite wirklich jammerschade und wäre eigentlich der Tod des aus meiner Sicht besten Folkpop-Duos das Deutschland zu bieten hat, wenn man nicht schon fast zufällig in der Bassistin Suzie Lou solch einen mega tollen Ersatz, quasi in den eigenen Reihen, gefunden hätte. Die auf der Bühne sehr introvertiert wirkende Sängerin ist wirklich ein Glücksfall für den Songwriter und die männliche Stimme des Duos Nick Wolf und mit ihrer Introvertiertheit gibt sie den dunkel melancholischen, dann wieder überraschend fröhlich und unbeschwerten Folk-Pop Songs ihre ganz eigene Note. War ich schon beim Auftritt in Erlangen sehr angetan von ihr, so hat sie es seitdem geschafft, sich noch weiter zu steigern und spätestens, wenn sie unplugged im Publikum stehend eine herzergreifende Version des Dirty Dancing Hits „Be my Baby“ hinlegt, hat man die stylische Sängerin ins Herz geschlossen.
Das tolle an Nick and June ist auch, dass man egal ob zu zweit, oder wie in Markneukirchen zu dritt mit zusätzlichem Schlagzeuger oder zu viert in voller Besetzung auftreten kann, jedes Mal entfaltet sich die Schönheit der Songs anders und jedes Mal bieten sie eine eigene klangliche Faszination. Keine Überraschung, aber Nick and June waren auch in Markneukirchen trotz wirklich ganz starker Konkurrenz der Höhepunkt des Tages. Auch mit Suzie als weibliche Stimme Deutschlands bestes Folkpop-Duo mit mega Potential für die Zukunft.

Neo and Neo

Die Schweizer Indie-Folkband sind in Deutschland noch ein recht unbeschriebenes Blatt. Das kann sich allerdings mit solchen sympathischen Auftritten, wie in Markneukirchen aber sehr schnell ändern. Urlaubsbedingt ist man beim Slow Down Festival zu zweit aufgetreten, normal besteht die Band aus 4 Musikern. Doch auch zu zweit konnte man gut aufzeigen, was die Band so reizvoll macht. Mit abwechslungsreichen Songs, mal soulig, mal folkig, mal fetzig stampfend schaffen es die 2 das Publikum bestens zu unterhalten, wobei sich dabei der hübsche Schweizer Dialekt und die von den Schweizern bekannt „sehr dynamische Art“ nicht als Fehler erweist.

Es ist echt eine Frage der Zeit, bis auch in Deutschland das 2016 entstandene Debütalbum „Before the Birds start to sing“ von den Indie-Folkfans entdeckt wird, Neo und Neo sind es definitiv wert.

Hannah Epperson


Die Frau aus Kanada ist die Meisterin der Loop-Maschine. Mit verstärkter Gitarre, und ihrer relativ hohen Stimme bastelt sie mit Hilfe der Loops und den Effektpedalen ihre ganz eigene musikalische Welt. Extrem eigen, extrem eigenständig und extrem anspruchsvoll. Das ist keine Musik zum nebenher hören und man staunt, was man einer Geige so alles durch klopfen, streicheln, kratzen und zupfen entlocken kann. Sie ist ihr eigenes kleines Kammerorchester und versinkt auf der Bühne völlig in ihre musikalische Welt. Das Publikum verfolgt gefesselt den Vortrag, es ist bisweilen so ruhig, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören. Im September ist die Kanadierin wieder in Deutschland unterwegs, wer also einmal eine Geige völlig anders erleben will, sollte sich die Künstlerin einmal selbst angucken.


Gregor McEwan



Es gibt Künstler, die schließt man sofort in sein Herz. Dazu zählt Gregor Mc Ewan, ein deutscher Singer-Songwriter, der in Haltern am See geboren wurde. Beim Publikum hat er sofort gewonnen, als er seine Gitarre packt, die Bühne verlässt und sich direkt vor sein Publikum hinsetzt, um unplugged einen Song zum Besten zu geben. Es sollte nicht der einzige Unplugged-Song und Besuch beim Publikum an diesem Abend bleiben. Auf der Bühne zurückgekehrt, singt er mit Hilfe von einem Effektmikrofon seine Songs über das Leben und die Liebe. Er ist ein musikalischer Geschichtenerzähler der es perfekt versteht sein Publikum zu fesseln und dabei die komplette Palette an Gefühlen abzurufen. Egal ob traurig, melancholisch oder fröhlich, seine Geschichten gehen ins Ohr und bleiben da haften. Und die Zeit die vergeht wie im Flug. Viel zu schnell ist der Spaß schon vorbei, wie ein gutes Glas Rotwein, das viel zu schnell leer geworden ist und das man blöderweise an diesem Abend nicht einfach nachschenken kann. Da Mr. Mc Ewan aber gerade fleißig am neuen Werk, seine dann dritte CD bastelt, besteht zumindest die berechtigte Hoffnung, dass man ihn bald wieder auf den Bühnen Deutschlands erleben kann. Ein Pflichttermin für alle die Singer-Songwriter schätzen.

Lina Maly


Es ist spät geworden, kurz vor Mitternacht und Lina Maly hat die Ehre das musikalisch extrem beeindruckende Line-Up mit ihrem Vortrag abzurunden. Und das fällt der jungen Musikerin aus der Nähe von Hamburg nicht schwer. Ihre Debüt-CD "Nur zu Besuch" war auch charttechnisch mit Platz 34 für einen Neuling ein beachtlicher Erfolg.
Auch als ganz junge Frau hat man natürlich Sorgen, die verpackt sie in ihre Lieder, thematisiert den Schönheitswahn unserer Zeit, kritisiert zurecht, dass sich die Welt inzwischen in viel zu schneller Geschwindigkeit weiterdreht und der Mensch dem Informationsfluss der heutigen Zeit fast hilflos ausgeliefert ist. Es sind nicht die wirklich fröhlichen Themen die Lina Maly und ihre bestens eingespielte Band präsentieren. Da herrscht schon mal Schwermut vor, trotzdem versteht es die Künstlerin extrem gut, nicht ganz ins Dunkle abzudriften.
So gut, dass selbst Ina Müller schon ein Auge auf das junge Talent geworfen hat und sie bei "Inas Nacht" einem breiten Publikum vorgestellt hat. Eine ganz besondere Auszeichnung für die immer authentisch wirkende Sängerin, die trotz kleiner Kulisse sichtbar Spaß hat, den Besuchern ihre Musik zu präsentieren.
Es war ein höchst gelungener musikalischer Ausklang des Festivals, das hoffentlich bei deutlich größerer Kulisse auch 2018 stattfinden wird.
Markneukirchen kann sich wirklich glücklich schätzen, wenn das "Slow Down" einen festen Platz im jährlichen Musikprogramm der Region bekommt. Musikalisch den Abend zu toppen, wird aber extrem schwer, zu überzeugend waren alle Teilnehmer an diesem Tag.












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