Lydia Benecke 2017
Der Hunger nach Liebe ist schwerer zu stillen, als der Hunger nach Brot.
Mutter Theresa



Bayreuth, Zentrum 15.10.2017






Den wichtigsten Satz, den Lydia Benecke an diesem Abend von sich gab ist wohl der, dass Liebe eine Persönlichkeitsstörung nicht heilen kann.  Liebe kann ja wirklich viel, das also nicht und das sollte sich wirklich jede und jeder immer wieder bewusst machen. Schon den eventuellen Konsequenzen wegen, die bekanntermaßen sogar tödlich sein können. „Die Psychologie des Bösen“ heißt das Thema des Benecke-Vortags der schon im Vorfeld ausverkauft war. Die 1982 im polnischen Pytom geborene deutsche Kriminalpsychologin und Schriftstellerin genießt einen guten Ruf, gerade in der schwarzen Szene schon fast Kultstatus. Sicher auch weil sie offensichtlich ein Teil dieser Szene ist, wie das Gothic Outfit des Abends unverkennbar vermuten lässt. Und so gibt es schon vor Beginn als Einstimmung u.a. Musik von Subway to Sally und Eminem, allerdings ganz bewusst mit Hintergedanken. Denn beide Bands sollten an diesem Abend noch eine entscheidende Rolle spielen.  Ist Hannibal Lecter, der wohl bekannteste aller Psychopathen, tatsächlich der Psychopathen-Prototyp schlechthin? Haben alle Psychopathen das Bedürfnis Menschen zu töten? Was geht in deren Kopf ab und vor allem wie gelingt es über Jahrzehnte als liebevoller Familienvater oder freundlicher Nachbar den Schein zu wahren? Fragen auf die Benecke an diesem Abend eine Antwort fand.
Es wurde besonders im zweiten Teil des Vortrags, eine spannende Reise in die Kriminalpsychologie. Als das Publikum den Theorieteil erfolgreich hinter sich gebracht hatte und man nun an praktischen Beispielen, die es in sich hatten, das theoretische Wissen nun vertieft wurde. Allerdings mit keinen Fällen aus ihrem Alltag. Es versteht sich von selbst, dass der Berufsethos das verbietet.
Bevor Benecke loslegte, stellte sie aber erst ihren Lebensabschnittsgefährten „SII der Fahrer“ vor. Unter dieser Adresse kann man auf Facebook einiges erfahren. Denn der freischaffende Feuerkünstler könnte selbst so einiges erzählen.
Benecke, die in einer Ambulanz für Gewalt und Sexualstraftäter arbeitet hat ständig mit allen möglichen Abscheulichkeiten, wie Kindesmissbrauch, Kinderpornographie, Vergewaltigung und Tötungsdelikten zu tun, ihr täglich Brot sozusagen. Sie weiß also bestens wovon sie redet und da ihr wissenschaftlicher Arbeitsschwerpunkt u.a. in den Bereich abweichender sexueller Vorlieben, Persönlichkeitsstörungen vor allem Narzisstischer Art liegt, gelingt es ihr hervorragend dies an Beispielen die auch für den Laien nachzuvollziehen sind, zu verdeutlichen.
Neben 2 Büchern, die sie zu Beginn vorstellt und sich dabei etwas über das Cover des ersten Buches lustig macht, verschweigt sie auch ihre Arbeit für das Fernsehen nicht.
Ob man den Vortrag als Beziehungsratgeber nützen kann, muss jeder für sich selbst entscheiden. Grinsend gestand sie dem Publikum jedoch, dass immer wieder Menschen mit der Äußerung „Ich verstehe meinen Ex jetzt besser“ auf sie zukommen.
Als sie ihren beruflichen Background vorstellte, fiel ein weiterer wichtiger Satz: „Alkohol macht Konflikte niemals besser“, eigentlich ja logisch. Leider aber scheinbar nicht für alle.
Im Fortgang ihres Vortrags, setzte sie sich kritisch mit der Studie auseinander, dass Menschen mit einem niedrigen Puls eher zu Verbrechen neigen sollen. So ist die Wahrscheinlichkeit straffällig zu werden bei Menschen mit niedrigem Puls 25% höher.
Stets bemühte Benecke sich, die zugegeben trockenen Theorie immer wieder durch praktische Beispiele aufzulockern, wie zum Beispiel mit Hilfe von Filmen wie Sin City, lustige Zeitgenossen wie Bart Simpson oder Robert Craig, der als US-amerikanischer Motorradstuntman Evel Knievel noch heute weltbekannt ist. Auch wenn man über 35 sein muss, um Evel Knievel zu kennen, wie sie scherzhaft bemerkte. So gingen auch nur teilweise die Arme in die Höhe als sie das Publikum fragte, wer den am 30 November 2007 an Lungenversagen verstorbenen ein Leben am Limit führenden Motorradstuntman zumindest namentlich kennt.
Dabei diente ihr Herr Knievel als Beispiel für Angstfreiheit und Kicksucht, dessen legitime Nachfolger als Jackass-Familie Weltruhm oder besser gesagt zweifelhaften Weltruhm erlangten. So wie Ryann Dunn, der vor seinem Tod bereits 23 Straftickets wegen Geschwindigkeitsübertretungen gesammelt hatte. Als er versuchte mit der doppelten Menge Alkohol im Blut als erlaubt, eine Kurve statt mit den erlaubten 89 km mit 225 km zu nehmen ging das mit seinem Porsche gründlich daneben. Es endete tödlich an einem Baum, auch nicht ganz überraschend für den Beifahrer des Kult-Chaoten.
Anhand des Big Five Models der Persönlichkeitspsychologie versuchte sie die fünf Hauptdimensionen der Persönlichkeit wie Aufgeschlossenheit, Perfektionismus oder Geselligkeit anschaulich darzustellen, wobei ihr hier zum Beispiel Watson aus der Serie Sherlock Holmes diente.
Anhand einer Psychopathie Checkliste ging sie auf die Wurzeln des Bösen im Überblick ein und bei Sätzen wie „Nutzt andere Menschen aus und macht wonach ihm gerade ist“ hatte sicher der eine oder andere gleich jemand vor seinem geistigen Auge.
Aufräumen tut Benecke auch mit dem Mythos, dass Psychopathen immer hochintelligent sind, ein Gerücht, dass durch den Film das Schweigen der Lämmer ja auch noch kräftig geschürt wird. Es gibt wirklich auch strunzdumme stellt sie mit einem Lächeln fest, nur wird deren Leben nicht verfilmt, weil dadurch eine Komödie entstehen würde.
Witzigerweise hat man irgendwann im Laufe des Vortrags auch Donald Trump vor seinem geistigen Auge, was sie zu ahnen scheint, denn schon fällt der Name des wohl „schlechtesten US-Präsidenten ever“ und Benecke geht anhand eines Filmbildes aus Shades of Grey und eines der Familie Trump auf seine Persönlichkeit (-sstörung) ein. Ein Film den sie übrigens nicht gerade mag, anders als „Alles steht Kopf“ der eindrucksvoll zeigt, wie das Gehirn funktioniert, wie sie betont. „Mit einem Schlag ein Psychopath“, so einfach ist das nicht und die Suche nach Ursachen alles andere als leicht.
Im Fortgang des Abends stellte sie Phineas Gage vor, ein amerikanischer Eisenbahnvorarbeiter dem am 13.09. 1848 bei einem schweren Unfall eine 1,10 Meter lange und 3 cm dicke Eisenstange von unten nach oben durch den Schädel schoss. Während des Unfalls blieb er bei Bewusstsein und überlebte nicht nur den Unfall, auch die Wunden heilten bis aufs Auge, was ihn für neurowissenschaftliche Forschungen auch aufgrund auffälliger Persönlichkeitsveränderungen bis heute höchst interessant machte.
Man wird weder böse geboren noch böse gemacht, sondern die Mischung machts, ist sicher nachvollziehbar. Inzwischen sind über 2 Stunden wie im Fluge vergangen, aufgrund der Redegeschwindigkeit von Frau Benecke war das schon Wissensstoff für fast drei. Zeit also eine kleine Pause zu machen, die manch einer für eine Buchsignatur und einen kleinen Plausch mit ihr nutzte.
Um das Ganze nicht noch ewig in die Länge zu ziehen versprach Benecke zu Beginn von Teil 2 noch schneller zu reden und stellte dem Publikum nun Richard Kuklinski Spitzname „The Iceman“ vor. Seines Zeichens zweifacher Familienvater der bereits mit 13 sein erstes Opfer tötete. Der ältere Bruder des verurteilten Vergewaltigers und Mörders Joseph Kuklinski, der Apfel fällt also nicht weit vom Stamm, hat nach eigenen Aussagen als Auftragsmörder über 200 Männer ermordet, bis man ihm endlich auf die Schliche kam. Und so lauscht man fassungslos ihren Worten, die das Leben Kuklinskis nachzeichneten.
Zweites Beispiel und hier stellte Benecke erstmals eine Verbindung zur Musik her ist der Sänger Bertrand Cantat. Traurige Berühmtheit erlangte er, als er auf seine Frau, die Schauspielerin Marie Trintignant einschlug, bis sie zu Tode kam.
Grund genug für Subway to Sally das Ganze für das Megaalbum Mitgift zu thematisieren. Textlich befassen sich die Albumsongs mit realen Verbrechen aus 5 Jahrhunderten und um die Texte möglichst authentisch wirken zu lassen arbeitete man mit Lydia Benecke zusammen. Übrigens ist es ja schon fast grotesk, dass Cantats Noir Desire Vorgängerband den Namen Pychoz trug.
Als dann 3 Jahre nach Haftentlassung auch noch seine Ex sich das Leben nahm gab Herr Cantat just in dem Jahr sein Bühnencomeback.
Einen guten Tipp hatte sie im Zusammenhang mit dem Fall Cantat auch noch parat. Wenn sie mit einem narzisstischen Promi zusammen sind, dann machen sie Abends lieber das Handy aus. Es war letztlich der Auslöser des Kontrollverlustes von Cantat.
Am heftigsten wurde der Abend schließlich, als Benecke auf Eminem zu sprechen kam und man nach dem ganzen zuvor vermittelten Wissen den Song Kim zu hören bekam. Eminem, der extrem offen mit seiner Persönlichkeitsstörung umgeht, vertont da ein Gespräch mit seiner Ex Kim Mathers das im Tod Kims endet, fiktiv wohlgemerkt. Und trotzdem schnürt es einen auch Dank der Kraft von Musik nicht nur die Kehle zu, sondern der eine oder andere hatte auch Tränen in den Augen. Man konnte eine Stecknadel fallen hören, als die Musik stoppte. Und so lernte man an diesem Abend auch, wieso Eminem CDs kaufen Leben rettet und dass erfolgreiche Musiker eine 2-3-mal höhere Wahrscheinlichkeit haben, zwischen 20 und 40 zu sterben als Nichtmusiker.
Wer jetzt Lust bekommen hat, die „Gothic-Psychologin“ einmal selbst live zu erleben dem kann geholfen werden. 2018 wird sie wieder mehrmals im Frankenland Station machen, auch in Bayreuth und Nürnberg übrigens. Sicher wird der Abend dann ähnlich schnell vergehen wie an diesem sehr informativen Abend.

Bilder des Abends




































































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