mit
Dr
Mark
Benecke
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Schwarzenbach, Turnerheim 27.11.2017
Der wichtigste Satz im Vortrag von Dr. Mark Benecke
fiel relativ lapidar so am Rande. Mit seiner Bemerkung zum
größten Insektensterben in diesem Jahr, „wenn die
Insekten sterben, sterben auch die Menschen“ machte er die
Wichtigkeit ihrer Existenz deutlich. Dass sich auch hier vieles zum
schlechten gewandelt hat kann jeder selbst nachvollziehen, wie er
eindrucksvoll an einem Beispiel anschaulich machte. Man muss ja nur
überlegen, wie voll die Autoscheiben früher waren, wenn man
mit dem Auto unterwegs war. Und heute? Der Grund ist, dass es laut
Bundesumweltministerium im Vergleich zu 1982 über 80 % weniger
Insekten gibt und man deshalb eindringlich vor dem Insektensterben
gewarnt hat. Umso unverständlicher ist die Glyphosat-Zulassung die
just am Tag des Vortrages bekannt wurde, was einem nach dem
Benecke-Vortrag umso wütender macht, auch wenn der Insektenguru
dieses Thema eigentlich nur mit einem Nebensatz streifte.
Bevor der Vortrag aber überhaupt losging machte sich der
öffentlich vereidigte Sachverständige Kriminalbiologe erst
einmal als Behüter des guten Liedguts verdient. Denn bis zum
Beginn des Vortrags gab es für die Besucher Musik aus der
schwarzen Szene um die Ohren. Und zwar richtig und das war sicher
für viele seiner Gäste, vielleicht auch in der
Lautstärke, ziemlich ungewohnt. Die meisten haben von Welle
Erdball, Sara Nox, Suicide Commando, oder Diary of Dreams zuvor sicher
noch nichts gehört. Als Videoeinstimmung gab es dann zu Beginn des
Vortrags ganz harte Kost, ein Video von Dagobert und Blixa Bargeld mit
dem Titel „Lang lebe der Tod. Weniger musikalisch gesehen, eher
was die Bilder des Videos betrifft. Scheinbar hatte er danach
selbst etwas Mitleid mit dem einen oder anderen verschreckten Besucher,
so dass er einige lustige Katzenvideos nachschob, was die Stimmung
deutlich verbesserte. Schade eigentlich, besser kann man einen Vortrag
kaum einleiten, wie mit diesem Musikvideo.
Zu Beginn schaffte er es gleich etwa 50% seiner Zuhörer zu
frustrieren, als er 4 Themen zur Auswahl stellte, nämlich
„Fälle am Rande des Möglichen“,“
plötzliche Selbstentzündungen“, „die Mumien in
Palermo“ und „Bakterien auf Leichen“. Und so stellte
sich nach 2 Abstimmungen heraus, dass es zwischen den Mumien und den
Fällen am Rande gleich großes Interesse bestand, sogar als
Dr. Benecke darauf hinwies den mitgebrachten Mann bzw. die Frau in Ruhe
zu lassen und selbst auswählen zu lassen, da sie ja eine eigene
Stimme haben.
Es musste also das Los entscheiden und so kam es, dass als Thema des
Abends „Die Mumien in Palermo“ ausgewählt
wurden. Bevor es dann echt losging kam noch der eine oder andere
versprengte Besucher „pünktlich“ deutlich zu
spät, was zurecht wenig Freude beim Referenten auslöste.
Schon zu Beginn zog der bekennende Veganer einen Vergleich zum
Schinken, der ja im Grunde nichts anderes als Mumienscheiben darstellt.
Nicht nur wegen dem Pulli und den Aufdruck Go Vegan sowie der
Rückseite mit dem Text "Fuck Tradition" wird sehr schnell klar,
für was Dr. Benecke steht und welche Leidenschaft er für
seine Insekten und seinen Job aufbringt. So ist es auch nicht
überraschend, dass der Donaldist auf das schöne Museum der
Walt Disney Übersetzerin Erika Fuchs in Schwarzenbach an der Saale
hinwies und beim Anblick einer Fliege, die er den Besuchern gerade
vorstellt zufrieden feststellte: „Sie ist schon mal schwarz
gekleidet, das ist schon mal gut“. Wie wichtig es ist, sich
kindliches Gemüht, kindliche Neugier und das zu sehen, was
Kinderaugen sehen zu bewahren, gerade auch in seinem Beruf, wurde
ebenso deutlich wie man seine Aussage „Meinen ist billig,
Prüfen ist aufwendig und teuer“ gut nachvollziehen kann.
Sein kindliches Gemüht und seine etwas morbide Art von Humor
blitzt auch beim Vortrag immer wieder durch und ist neben der
Leidenschaft für das, was er tut, eines seiner großen
Stärken. So stellt er in einem Foto die Security des Mumienkellers
mit dem Handy in der Hand vor und man erkennt sehr schnell, dass es
sich um einen Kapuzinermönch handelt, auch weil er in der Folge
auf die Kapuziner mit ihren Kapuzen kurz einging. Und als er dem
Publikum bildlich eine tote Jungfrau vorstellte bemerkte er
süffisant „ich hab zuvor noch nie eine gesehen, ich komm aus
Köln.
Und dann nimmt er die Gäste mit in Palermos „Catacombe die
Cappuccini“ und erzählt wie lässig es ist nachts mit
3000 Mumien im Keller zu verbringen. Eine Vorstellung die wohl keiner
der Anwesenden lässig finden würde. Apropos
lässig, das ist auch der Mensch Dr. Mark Benecke. Er ist der
lebende Beweis, dass man als Wissenschaftler und Diplombiologe sein
Wissen auch ganz anders an den Mann bringen kann, als staubtrocken.
Nämlich höchst unterhaltsam, vergnüglich, kurzweilig und
in einem ziemlich rasanten Tempo. Illustriert wird der Vortrag neben
Bildern der Mumien, von Bildern der Kapuzinergruft und der Werkstatt
der „Mumien-Bastler“. Etwas schlucken muss man sicher beim
Anblick des mit 2 Jahren verstorbenen Mädchens Rosalia Lombardo,
wohl die bekannteste Bewohnerin der Gruft. Man lernt in seinem Vortrag,
dass der Tod noch lange nicht das Ende ist, ob einen die Vorstellung,
danach als Insektenfutter herzuhalten oder zu einem Madenteppich zu
werden besonders erfreut, steht auf einem anderen Blatt.
Vor dem Vortrag, in der Pause und am Ende gibt es dann die
Möglichkeit zum „Selfie mit dem Wissenschaftler“,
immer wieder unterbrochen von einer Glocke, die ein Gruppenfoto
ankündigt, auf dem das Publikum mit Dr. Benecke und den Zauberstab
aus Harry Potter posiert. Das Ganze erinnert manchmal an den Hype um
schwer angesagte Popstars, was den Abend noch skurriler werden
lässt, der übrigens bis zum letzten Platz ausverkauft war.
Trotzdem konnten noch lange nicht alle Kartenwünsche befriedigt
werden, ein Wiedersehen mit ihm in Schwarzenbach ist somit eigentlich
unumgänglich. Auch weil es ja noch gilt die anderen 50% der
Besucher glücklich zu machen. Und wenn jeder der Besucher an
diesem Abend neben neuem Wissen auch das Bewusstsein, wie wichtig
Insekten sind, mitgenommen hat und sowohl das eigene Verhalten den
kleinen Kriechtieren gegenüber, wie auch das die Handlungen des
Staates hinterfragt (Stichwort Glyphosat) dann hat der Vortrag neben
seiner Kurzweiligkeit auch für unsere Erde positives bewegt. CSU
dürfte eigentlich danach keiner mehr wählen, es sei denn er
hat nicht zugehört.
Die Bildergalerie des Tages
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