Die Frau ist gefragt.
Nicht nur bei Psychologen, Juristen, Polizisten, der schreibenden
Presse oder dem Fernsehen ist sie ein gern gesehener Gast. Auch in
unserer Gegend erfreuen sich Lesungen von Lydia Benecke immer einer
großen Nachfrage. Tendenz steigend. Das sieht man besonders gut
in Bayreuth. War im letzten Jahr der kleine Vortragssaal schon bestens
gefühlt, erwies sich diesmal der große Saal als perfekte
Location um die Ausführungen von Lydia Benecke zum Thema
Psychopathinnen mitzuverfolgen. Das
erfordert übrigens viel Sitzfleisch beim Publikum. Denn wenn Frau
Benecke erst einmal in Fahrt ist stoppt man sie nicht so leicht.
Erst um 23.45 war Lydia Benecke zumindest themenmäßig für diesen
Abend mit ihren Ausführungen am Ende. Zeit für die Besucher
nahm sie sich trotz vorgerückter Stunde aber auch danach noch
reichlich. 3 Stunden 45 Minuten zuhören, unterbrochen von einer
kurzen Pause, die man für das Signieren der Bücher oder
für Fotos mit ihr nutzen konnte, sind wahrlich nicht
alltäglich.
Man könnte sich des Themas auch viel reißerischer in 2
Stunden annehmen, viel Wissenschaftliches weglassen und das Publikum
wäre vielleicht sogar zum Teil noch begeisterter. Aber das ist
absolut nicht ihr Ding. Sie hat einen wissenschaftlichen Anspruch an
sich und den will sie auch mit dem Publikum teilen. Und das ist auch
wirklich gut so. Langweilig wird es trotzdem nicht. Ganz im Gegenteil.
Die Zeit vergeht wie im Flug, auch ein Verdienst von Lydia Beneckes
lockerer Art und ihres durchaus fröhlichen Wesens.
Lydia Benecke versteht es einfach großartig trockene Theorie so
unterhaltsam zu verpacken, dass man sich nicht langweilt, egal ob mit
oder ohne Vorbildung in diesem Bereich. Somit kann jeder neben viel
Schrecklichem (was Menschen anderen Menschen antun können und
warum) auch einiges (mehr) an Wissen mitnehmen.
Bevor es so richtig losging gab es aber erst einmal Musik von Subway to
Sally zu hören. Musik von der Scheibe Mitgift, Subway to Sallys
großartige Mördergeschichten bei denen Lydia Benecke als
Beraterin mitwirkte. Außerdem gab es mehrere Filmausschnitte auf
die sie auch im Vortrag nochmals einging. Nicht vergessen wurde auch,
auf den anstehenden Vortrag in Schwarzenbach/Saale hinzuweisen.
Dann ging es aber richtig los und bevor sie sich dem Thema
Psychopathinnen annahm, konnte man noch etwas über die Person
Benecke und ihre Arbeit erfahren. So ist sie 30 Stunden in der Woche in
der Straftätertherapie tätig, ein Job der mit
Nachwuchsproblemen zu kämpfen hat. An Psychologen wohlgemerkt, an
Straftätern scheint leider kein Mangel zu herrschen. In dem
Zusammenhang konnte man auch erfahren, dass das schlimmste was ihr im
Gefängnis je passiert ist, dass ein Zaun ihr Auto erschlagen hat.
Besonders spannend war am Anfang die Feststellung, dass es
tatsächlich deutliche Unterschiede zwischen männlichen und
weiblichen Tätergruppen gibt. So töten Frauen Männer
eher, wenn sie diese loswerden wollen. Man könnte also auch sagen
„Scheidung rettet leben“. Dummerweise ist es bei
Männern genau anders herum, da ist es meist das Mordmotiv, dass
Männer die Angehörigen nicht verlieren wollen. Scheidung
tötet sozusagen, ein ziemlich schwierig zu lösender Konflikt.
Danach ging es weiter in die Tiefe, es wurden typische
Charaktermerkmale von Psychopathinnen erläutert und welche
kaputten Bremsmechanismen einen Menschen zum Psychopathen werden
lassen. Auch wurde auf Fehlannahmen bei Psychopathinnen eingegangen. So
wie zum Beispiel der weit verbreitete Irrglaube, dass die immer sehr
intelligent sind. Von wegen hoher IQ, es gibt auch strunzdumme unter
ihnen wie sie unmissverständlich feststellte. Und dass die einen
Tötungsdrang in sich tragen stimmt so auch nicht.
Auch dass einer von 100 hohe Psychopathiewerte in sich trägt
erstaunt durchaus, die Mischung aus Genen und Umwelteinflüssen
macht es dann aber aus, dass der bzw. diejenige dann auch zum echten
Psychopathen wird. Abschließend wurde auch noch der Unterschied
der bösen Irren (Psychopath) von den netten Irren (Soziopath)
aufgezeigt.
Der ganze Abend war übrigens kein reiner Monolog. Ganz im
Gegenteil. Anhand von Filmausschnitten von Basic Instinct und Basic
Instinct 2 war das Publikum gefordert festzustellen, welche
psychopathischen Merkmale man bei Filmhauptfigur Cathrine Tramell erkennen kann. Und
das Publikum ließ sich nicht zweimal bitten und war mit
Feuereifer dabei. Aufgezeigt wurde auch ein klassischer Unterschied
zwischen Männer und Frauen. So fällt „Mann“ eher
durch direkte Aggressivität und physische Gewalt auf, während
„Frau“ eher durch eine indirekte Aggressivität und
psychische Gewalt auffällig wird.
Psychopathische Mütter, Selbstverliebtheit, Narzissmus,
Antisoziale und Dissoziale Persönlichkeitsstörungen waren
weitere Themen im ersten Teil des Vortrags, der nach der Pause
wesentlich plastischer wurde, als Lydia Benecke den Besuchern die 1956
in Bradford geborene amerikanische Serienmörderin Aileen Wuornos
vorstellte, die man für den Tod von vermutlich 7 Männern
verantwortlich macht. Ähnlich gruselig ist der Fall von Mary Beth
Tinning die am 11. 09. 1942 in Duanesburg (New York) geboren wurde und
zwischen 1972 und 1985 wahrscheinlich sieben ihrer eigenen acht Kinder
umgebracht hat, sowie ein Adoptivkind.
Auch der Fall Gertrude Baniszewski kam an diesem Abend zur Sprache und
all diese Fälle wurden mit einigen Filmszenen zum Beispiel aus dem
Film Monster unterlegt. Der mit Charlize Theron in der Hauptrolle im
Jahr 2003 gedrehte US-Amerikanisch-Deutsche Kinofilm basiert auf die
Geschichte von Wuornos und besonders die Hauptdarstellerin wurde mit
zahlreichen Filmpreisen ausgezeichnet, auch mit dem Oscar als beste
Hauptdarstellerin 2004.
Oder aus dem Film „An American Crime“ der die Geschichte,
Folter und Ermordung von Sylvia Likens nachzeichnete, die Gertrude
Baniszewski auf dem Gewissen hatte. Nicht zu vergessen natürlich
„Another American Crime“ die den Fall der
Kindsmörderin Theresa Knorr nachzeichnete und deren traurige
Geschichte auch Thema des Abends war. Und ähnlich wie im letzten
Jahr als man ziemlich nachdenklich das Zentrum in Bayreuth
verließ und man seitdem zum Beispiel den Musiker Eminem und seine
Songtexte mit anderen Augen anschaut, bleibt auch diesmal der Abend
nachhaltig in Erinnerung.
Bevor es noch einige
Bilder vom Abend zu sehen gibt noch ein kleiner Hinweis in eigener
Sache. Ich hatte das Vergnügen mit Lydia Benecke ein Interview
führen zu dürfen. Daraus ist ein mitternächtlicher
Plausch geworden und es hat wirklich unglaublich Spaß gemacht
sich fast 60 Minuten mit ihr zu unterhalten. Das Ergebnis kann man hier
nachlesen.