Hameln, 12 und 13.10.2018
Drei Jahre hat es gedauert, dass das Autumn Moon
Festival die Besuchermarke von 2000 Leute knacken konnte. So ist das halt, wenn
man ein neues Festival aus dem Boden stampft und es in einer Gegend tut, die
nicht gerade als Eldorado der Schwarzen Szene gilt. Obwohl das jährlich
stattfindende Mera Luna Festival gar nicht so weit weg ist. Bekanntlich das
Eldorado der „Black People“. Aber auch
das Autumn Moon ist schon bei der ersten Ausgabe eines geworden, wenn auch
natürlich im schönen kleinen und familiären Rahmen.
Veranstalter Dominik Wrehl hat echt Mut bewiesen und
es ist kein Geheimnis, dass sich das finanziell bis heute in keiner Weise
ausgezahlt hat. Trotzdem hat er und ein einmal wieder großartiges Team den
Besuchern (angefangen von der Security, über die vielen Helfer bis zur Orga) nun
schon drei Jahre ein unvergessliches Wochenende beschert und es bleibt zu
hoffen, dass es sich auch finanziell für ihn irgendwann amortisiert.
Im Vergleich zu den 2 Ausgaben zuvor war die beste
Entscheidung ohne Frage die Moon Stage zu schaffen. Das Zelt direkt neben der Rattenfängerhalle
ist ein unglaublicher Gewinn und die Market Stage dorthin zu bringen, wo sie
hingehört, nämlich mitten im einmal mehr extrem liebevoll gestalteten Halloween
Markt, ist nur logisch.
Apropos liebevoll, dass hier viel Herzblut drinsteckt
merkt man an allen Ecken. Und auch die kurzen Wege zu den einzelnen Bühnen und
das Musikprogramm sind ein großes Plus. Denn beim Autumn Moon geht es nicht
darum nur die Topacts zu präsentieren, von dem großartigen Newcomer wie z.B. „Wisborg", über den ganz heißen Geheimtipp zum Beispiel „The Red Painitings",
den Szenelegenden ala „And also the Trees",
den absoluten Headliner wie „Covenant" bis zu Urgesteinen ala „The Casacdes" hat
das Festival so viel zu bieten, dass es
Jahr für Jahr eigentlich schon ziemlich egal ist, wer in der Setlist zu finden
ist, es gibt so viel zu erleben, dass es sich immer lohnt das Autumn Moon zu
besuchen. Und was heißt schon Musik der schwarzen Szene. Es ist eine so große Bandbreite, dass
wirklich jeder etwas findet, was einen gefällt. Selbst als Nicht-Grufti. Jede
Wette.
Am Wochenende gab es Aggrotech, Brachialelektro, Cold
Wave, Cyperpunk, Dark Wave, Doom Metal, EBM, Electro Folk,
Future Pop, Metal, Gothic und Gothic Metal, Hardrock, Indie, Kammer
Core, Industrial, Groove Metal, Mittelalterrock, Neue Deutsche Härte, Neue
Deutsche Welle, Noiserock, Piratenmugge, Post Punk Progressive Metal, Punk,
Rock, Shoegaze, Synthiepop, Thrash Metal, Symphonic Metal, oder Wave zu hören.
Eine Liste die sich noch beliebig fortsetzen ließe und die vor allem eins
zeigt, die musikalische Bandbreite ist auch in diesem Jahr unglaublich
vielfältig gewesen und da findet jeder seine.
Bei fünf Bühnen die teilweise gleichzeitig bespielt
werden muss man gut planen, was mit Hilfe des kleinen Programmhefts die Sache
sehr erleichtert. Und dann gibt es noch die Workshops wie zum Beispiel den
Drehleierworkshop von Axel Zwingmann oder Facepainting, es gibt Lesungen für
Kinder und Erwachsens, mehr oder weniger spontane Sessions, besonders beliebt
rund um ein Lagerfeuer, Walking Acts, Kleinkunst und Feuershow, das Programm
ist gewaltig und wirklich jeder schafft nur einen Bruchteil zu sehen.
Besonders nett ist übrigens auch zu beobachten, wie
sich die „normalen“ Hamelner unter die Gruftis mischen, immer mehr
Berührungsängste und Vorurteile abgebaut werden und man die Szene immer mehr zu
schätzen lernt. Denn eins ist auch Fakt: Die Menschen der schwarzen Szene sind
unglaublich tolerant und nett, gäb es mehr davon auf der Welt, die Welt wäre um
so viel besser. Ob die tollste Kindergärtnerin die man sich wünschen kann, die
Dame die sonst auf der Intensivstation arbeitet oder den Herrn, der im normalen
Job Autos verkauft, oder der der Hubschrauber fliegt. Sie alle haben eins
gemeinsam, die Liebe zur Musik.
Aber genug der Vorrede, wollen wir endlich einen
Rückblick auf das Musikprogramm werfen. Der ist natürlich ziemlich subjektiv,
die bei jedem der über Musik schreibt.
Mila Mar
Der Freitag ging in der Sumpfblume mit einem absoluten
Knaller los. „Mila Mar" vorzustellen ist ja schon fast überflüssig. Anke Hachfeld
und ihre Band konnten mit einer unglaublich intensiven, mystischen Performance
begeistern. Da entführen einen die Geigenklänge der großartigen Katrin
Beischer, Lars Watermann mit seinen Percussions, die Synthesizerklänge von Maaf
Kirchner und diese Stimme ganz schnell in eine eigene Welt. Ihre Welt, in der
Kapitalismus wenig bis keinen Platz hat, In der Menschen Tiere und Pflanzen in
einem vernünftigen Miteinander leben können, in der Religionen nicht für so
viel Leid auf der Welt verantwortlich sind denn es geht auch ohne. Eine bunte
Welt ohne Krieg, Hass, Gewalt, Missgunst und Neid in der die Musik verbindet
und die Liebe dominiert. Sicher fragen sich viele warum man so eine tolle Band
ganz am Anfang spielen lässt. Die Antwort ist relativ einfach. Highlights gibt
es beim Autumn Moon rund um die Uhr. Deshalb sollte man auch rechtzeitig da
sein und wer „Mila Mar" verpasst hat, der hat definitiv eines der Highlights des
Wochenendes versäumt. Die Spielreihenfolge ist beim Autumn Moon sicher kein
Qualitätsmerkmal.
Funker Vogt
Für zart besaitete Gemüter war es sicher kein Fehler
dadurch den Anfang von Funker Vogt in der Rattenfängerhalle verpasst zu haben.
Ob es ein Mann auf einen elektrischen Stuhl wirklich sein muss sei mal dahingestellt.
Aber dass „Funker Vogt" mit Themen wie Krieg und Gewalt schon mal bewusst
provozieren, gerade auch auf der Bühne ist hinlänglich bekannt. Gerade für
Liebhaber brachialerer Elektroklänge gepaart mit einer sehenswerten Show ist der
Auftritt der Hamelner Band ein Fest.
Fairytale
Wem das zu laut war, der konnte übrigens in der Moon
Stage bei „Fairytale" die märchenhafte Welt von keltischen Mythen und Irish Folk
erleben. Etwas anders als bei einem Fairytale-Konzert, denn da erzählen sie bei
ihren Bühnenshows ganze Geschichten, aber trotzdem war der Autumn-Moon Aufritt nicht
weniger überzeugend. Ein bisschen Blackmores Night, was Laura, Berit und Band
da hinzauberten, allerdings mit dem großen Unterschied in total sympathisch und
total
unarrogant. Auch das geht Herr Blackmore!
Kellermensch
Nach den Schweden von „Then comes Silence" die mit einem
Post Punk und Goth Rock aus den Achzigern die Sumpfblume gut unterhielten kam
danach mit „Kellermensch" einer der Überraschungsacts des Wochenendes auf die
Bühne. Anders als der Name vermuten lässt, sind das keine Deutschen, sondern
ein Dänisches Abrisskommando was da die Bühne bevölkerte.
Was ist denn das, bzw. was war denn das. Wie will man
das beschreiben. Man nehme Pop mische ihn mit Metal und Rock, kreuze eine
Ballade mit einer Kreischattacke und stecke die Musiker zuvor in eine
Steckdose. Nicht alle, Gott bewahre. Das wäre ja kaum auszuhalten. Man braucht
ja auch ruhigere Elemente, wie zum Beispiel den völlig der Welt entrückten
Violinisten der einen wunderbaren Gegenpol zu den zwei Wahnsinnigen am Mikrofon
darstellt. Die Instrumentierung mit Kontrabass, Hammondorgel, Geige und Piano bieten
ein ganz eigenes Gebräu, das da aus dem Kellerloch gekrochen kam, frei nach
Dostojewskis Novelle „Aufzeichnungen aus dem Kellerloch“ nach der sich die Band
angeblich benannt hat.
Welch eine Leidenschaft, welch eine Energie und welch ein
Wahnsinn den die Dänen da ablieferten – klasse!
Vroudenspil
„Vroudenspil" konnten danach in der Sumpfblume nicht nur
die Freunde der Piratenmugge überzeugen, die mit den Bayern eine fette
Piratenparty feierten. Ohne Frage war das, was „Vroudenspil" in Hameln ablieferten
weit überzeugender wie zuletzt und eine klasse Einstimmung auf das Tanzt!
Festival im November.
Solar Fake
Was danach „Solar Fakes" Sven Friedrich geritten hat das
Konzert mit einer ganzen Reihe ruhiger Unplugged Songs zu beginnen bleibt sein
Geheimnis. Nicht falsch verstehen, das musikalische Erlebnis ist durchaus
intensiv, seine Stimme großartig und er kann damit auch gewaltig Gänsehaut
erzeugen. Aber vielleicht wäre es geschickter das nach einigen schnelleren
Nummern zu tun. „Solar Fake" sind klasse, decken vom tanzbaren Song bis zur nachdenklichen
Nummer und die zum Träumen alles ab und das machte der Auftritt in Hameln auch
überdeutlich. Und die neue CD ist wieder einmal mehr als gelungen. Aus meiner
Sicht, auch als Zugeständnis an den Veranstalter, hätte man das aber noch
besser gestalten können, finde ich.
The Red Paintings
Kommen wir zu der von CMM groß angekündigten Band „The
Red Paintings" in der Sumpfblume. Völlig zurecht übrigens. Die fast klassisch anmutende
Art-Rock Band sind schon einzigartig. Ein Gesamtkunstwerk das da um Sänger
Trash Mc Sweeney und Violinistin Alix Kol auf der Bühne steht. Unverständlich,
dass sie bis heute immer noch ein Geheimtipp sind. Schade, dass die Painting-Geschichte
etwas in die Hosen ging. Ein Maler mit der Maske falsch aufgesetzt sollte nicht
passieren und dass Bodypainting die ganze Show nicht entstehen zu sehen ist
auch nicht wirklich überzeugend. Wie es am Ende ausschaut kann ich auch nicht
sagen, „The Red Paintings" überzogen leider die geplante Spielzeit und „INVSN"
standen in den Startlöchern. Trotzdem sind „The Red Paintings" mehr als eine
Entdeckung wert, gerade auch live. Eine Band mehr auf der Liste, die ich
unbedingt bald wieder live sehen muss.
INVSN
Vom Geheimtipp zum Co-Headliner, das ist die Autumn
Moon Geschichte von „INVSN". Kein Auftritt war so unglaublich wie der der
Schweden im letzten Jahr und auch 2018 machte Dennis Lyxzén
genau da weiter. Wieder wurde das
Mikrofon zum fliegenden Geschoss, die Bühne zur Kung-Fu und Boxarena und auch
das Publikum wurde natürlich besucht. Es ist aber nicht nur die einmalige Show
die dies Band so reizvoll macht. Die war diesmal übrigens deutlich weniger
spektakulär als im Jahr zuvor. Aber immer noch vielleicht die spektakulärste
des Wochenendes.
Auch die Musik ist einfach großartig. The Beautiful
Stories ist ein Knaller geworden. Man darf sich echt auf das neue Album, das im
nächsten Jahr erscheinen wird freuen. Und dann sind „INVSN" auch wieder auf Tour
und das sollte sich niemand entgehen lassen. Und bis dahin ganz oft in die CD
und EP reinhören und nicht vergessen, laut hören.
Leider fiel dem packenden „INVSN" Auftritt ein Besuch
bei VThe Cascades" zum Opfer, die fast zeitgleich spielten. Das ist umso
bedauerlicher, da die Band wieder mit dem großartigen ehemaligen Sänger am
Start ist und die neue CD wieder so richtig klasse Gothrock bietet. Wer also
wie ich bei „INVSN" hängengeblieben ist, sollte wenigstens mal in das Album
reinhören.
The Fields of the Nephilim
The Nephilim sind alttestamentliche Riesenwesen auf
die der Bandname des Freitags-Headliners „The Fields of the Nephilim" zurückgeht. Die Band ist eine Legende,
genauso legendär war auch der Auftritt in Hameln. Und zwar legendär schlecht.
Ich kann mich nicht erinnern, und ich habe ja wirklich schon sehr viel gesehen,
so etwas noch nicht. Es war legendär schlecht und legendär unverschämt dem
Publikum gegenüber.
Bühnennebel als Stilmittel ist zwar von Haus aus der
Feind des Fotografen, sinnvoll eingesetzt ist er aber eine echte Bereicherung. Auch
für stimmungsvolle Konzertfotos übrigens. Was aber gar nicht geht ist die Bühne
so zuzunebeln, dass niemand etwas erkennen kann, außer vielleicht einen kurzen
Moment den markanten Hut des Sängers.
Kein Wunder, dass der das Markenzeichen der Band, (war
es überhaupt eine?) geworden ist, mehr sieht man ja nicht. Keine Ahnung wer da
auf der Bühne stand, keine Ahnung ob nicht alles von Band kam, keine Ahnung ob
es tatsächlich Carl Mc Coy war, der da auf der Bühne stand. Praktisch
eigentlich, man setzte sich einen Hut auf und wird zu Carl Mc Coy, den Rest
macht dann die Technik. Mir ist es völlig unerklärlich, dass diese Band live
noch Zuschauer hat, da hat man weit mehr davon, wenn man sich die keinesfalls
schlechten CDs in den CD-Player reinschiebt und richtig laut aufdreht. Und wenn
man echtes Konzertfeeling haben will, kauft man sich für 35 Euro bei Amazon
eine Nebelmaschine und setzt einem Familienmitglied einen Hut auf. Die Illusion
ist perfekt.
Nicht überraschend, dass Besucher in großer Zahl
fluchtartig die Halle verlassen haben, das machte auch Sinn, es gab schließlich
auf den anderen Bühnen neben Musik auch noch etwas zu sehen.
Apocalypse Orchestra
Wie zum Beispiel das „Apocalypse Orchestra" aus Schweden
in der Sumpfblume. Die Band aus Gävle sind alles andere als eine typische
Mittelalter-Metalband. Zwar steuern sie gerne durch vergangene Epochen, tun das
aber auf ihre eigene musikalische Art. Für mich war es ein gelungener
Schlusspunkt des ersten Tages, der erschreckend schnell verging.
Sinheresey
Da der zweite Tag erst um 13.30 begann, blieb Zeit
einmal bei Alex Zwingmann und seinen Drehleierworkshop vorbeizuschauen, wo 5
motivierte angehende Drehleierstars fleißig am üben waren.
„Sinheresey" starteten um 13.30 in der Sumpfblume den
zweiten Festivaltag mit Symphonic Metal made in Italy. 2015 war die Band mit
Lordi auf Tour. Schon damals konnten sie mich überzeugen, seitdem haben sie einen
weiteren Sprung nach vorne gemacht. Zuletzt war die Band mit „Lacuna Coil" und „Cellar Darling" unterwegs, auch das sollte den Bekanntheitsgrad der Italiener
weiter erhöht haben. Der Auftritt beim Autumn Moon war jedenfalls gute Werbung
in eigener Sache.
Aeternitas
Eigentlich sollte auch der erste Act in der
Rattenfängerhalle ein echter Knaller werden mit „QFT", das Soloprojekt der
Therion Sängerin Linnea Vikström. Die haben aber kurzfristig abgesagt und so
musste Ersatz her. Was man dann aber aus dem Hut zauberte war beeindruckend.
„Aeternitas" ließen sich nicht lange bitten, sondern reisten spontan aus Lübeck
an und lieferten einen Knallerauftritt ab. Seit 1999 gibt es die Band schon und
mit den Gothic Musical Rappacinis Tochter und dem Konzeptalbum House of Usher
erreichte die Band in der schwarzen Szene verdientermaßen Bekanntheit. Seit
2017 hat man mit Julia Marou eine neue Sängerin als Ersatz finden müssen und
die ist definitiv ein Glücksfall für die Band. Bildhübsch zu sein ist ja nie
ein Fehler, wenn man dann aber auch noch so ne Röhre hat, wie die Dame von
„Aeternitas", kann nicht viel schiefgehen. Zusammen mit Sänger Oliver bilden sie
ein perfekt zusammenpassendes Duo, das von einer spielfreudigen Band kräftig
unterstützt wird. Ohne Frage, „Aeternitas" lieferten als eine der absoluten
Entdeckungen des Wochenendes so richtig ab, Symphonic Metal vom Feinsten.
Schattenmann
Das gilt allerdings auch für die in der Sumpfblume
folgende Band „Schattenmann". Das Projekt des Ex- Stahlmanns Frank Herzig macht
jedesmal aufs neue Freude. Denn neben der Musik, Neue Deutsche Härte 2.0, wie
sie sie selbst gerne nennen, verstehen sie es einfach auch phantastisch, diese
dem Publikum zu präsentieren. Man sieht da haben sich einige richtig Gedanken
gemacht, wie man sich auf der Bühne präsentiert. Das Ergebnis kann sich mehr
als sehen lassen, entsprechend begeistert wurden die Jungs auch in der
Sumpfblume gefeiert.
Eisfabrik
Aber auch das Publikum in der Rattenfängerhalle hatte
beim Auftritt von „Eisfabrik" richtig Spaß und feierte die Hamburger
„Schneemänner“ lautstark. Und auch wenn sie im gleichnamigen Song „Schneemann“
singen, sie brauchen es bitterkalt waren sie trotzdem bei geradezu
hochsommerlichen Temperaturen auch am Halloween-Markt unterwegs. Dr. Schnee,
Der Frost und Celcius haben schon fast ein Kunstprojekt erschaffen, wie sie
ihren Electronic und Future-Pop präsentieren ist so kurzweilig und sehenswert,
da wird das Auge und Ohr der Besucher gleichermaßen verwöhnt. Und die
Schneekanone sorgt dann zwar nicht für Abkühlung, aber doch für die Illusion
„Es schneit“.
„Eisfabrik" sind eine absolute Bereicherung jedes
Festivals, ich bin wirklich gespannt was die „unterkühlten“ Herren noch so
alles aus dem Hut zaubern werden. Schon beim ersten Mal konnten sie in Hameln
punkten, der zweite Auftritt in diesem Jahr war erneut richtig klasse und eines
der Highlights des Wochenendes.
Dool
Größer kann ein musikalischer Kontrast kaum sein, wie
der stylische Synhesizersound von „Eisfabrik" und danach das dreckige
Gitarrenbrett der Holländer von „Dool", die unfassbar Gas gaben und die
Sumpfblume scheinbar den Garaus machen wollten. Welch eine Energie die da von
der Band ins Publikum hüpfte, ohne dass man sich wirklich davor schützen
konnte. Man wurde einfach mitgerissen was Sängerin Ryanne van Dorst und ihre
Jungs ablieferten. Hatte man zuvor noch Mühe am Bogenschießstand des Marktes
ins Schwarze zu treffen, der Auftritt dagegen war ein echter Volltreffer und es
ist kein Wunder, dass das Debütalbum „Here Now, There Then“ 2017 bis auf Platz
47 der Albumcharts in Deutschland kletterte. Und das mit einer Musik die alles
ist, nur nicht massenkompatibel oder vom Mainstream angehaucht. Heavy Rock und
Doom Metal, aggressiv, dynamisch und unglaublich leidenschaftlich.
Leather Strip
Leidenschaft war auch dem Herrn „Leather
Strip" nicht abzusprechen, was ihn allerdings geritten hat, seine Musik so zu
präsentieren bleibt wohl sein Geheimnis. Claus Larsen kann ohne Frage richtig
etwas, er kann auch das Publikum fesseln. Ob das aber genügt, sich einzig die Unterstützung
eines weiteren Musikers in Form eines Laptops zu holen und damit das Publikum
bestens zu unterhalten sei einmal dahingestellt. Ich persönlich finde es
jammerschade, die Gelegenheit sich packender zu präsentieren so leichtfertig zu
vertun. Ein Mann und ein PC, das wars. Das ist heute definitiv zu wenig um die
Menschen hinter den Ofen hervorzulocken. Allein eine oder zwei Tänzerinnen, es
können gerne auch Tänzer sein hätten den Auftritt fraglos richtig gutgetan und
die positive Wirkung beim Publikum noch deutlich erhöht. Wie man das weitaus
besser machen kann haben System Noire bewiesen, die mit Tänzerin „Ciwana Black"
auch optisch voll überzeugten. Also mal Ciwana fragen Mr. Leather Strip.
And also the Trees
Urgesteine des Postpunk, des Darkwaves und Gothic Rocks sind ohne Zweifel
„And also the Trees". Set 1979 gibt es die Band nun schon und das
bemerkenswerteste daran ist, dass es in der langen Zeit gerade einmal zwei
echte Besetzungswechsel gab. Da können sich viele Bands echt eine Scheibe abschneiden.
Logisch, dass sich in einer solch langen Zeit der Sound der Band immer wieder
änderte und eine beachtliche Discografie entsteht. Im Falle von And also the
Trees allein 13 Studienalben und insgesamt über 30 Alben, wobei „Born into
the Waves“ auch nun schon zwei Jahre alt ist. Und auch kurz vor ihrem 40-Jährigen
Bühnenjubiläum hat die düstere Romantik der Band nichts von ihrem Charme
verloren.
Coppelius
Leider war der Auftritt der Herren von „Coppelius" in einer sehr gut
gefüllten Rattenfängerhalle mit einem traurigen Anlass
verknüpft. Wirft doch ihr Jahrhundertelange trommelnde Schlagzeuger der
Band, Nobusama, einfach die Trommelstöcke in die Ecke. Das ist schon etwas
schade, man wird den optisch immer völlig anders gekleideten Japanischen
Zetreisenden schon vermissen, keine Frage. Und man darf gespannt sein, wer in
Zukunft den Takt beim Kammercoreorchester entscheidend mitbestimmt. Abgesehen
davon machte der Auftritt natürlich wieder Megaspaß. Auch einen musikalischen
Ausflug zur weltersten Steampunk-Oper „Klein Zaches, genannt Zinnober“ hatte
„Coppelius" mitgebracht. Egal ob mit eigenen Songs oder mit einem Cover von zum
Beispiel Iron Maiden, die Band ist einmalig, unverwechselbar und Live eine
echte Attraktion, selbst wenn man mit Klarinettenklängen nichts anfangen kann.
Einzig die „Wenig-Haar-Träger“ hatten bei der Hairband aus dem Publikum
das Nachsehen, denn auch in Hameln ließen es sich die aus der Zeit
gefallenen Musiker nicht nehmen, eine Hairband zusammenzustellen. Auch
in Hameln kam „Coppelius" prächtig an und gehörten gerade mit ihrer
bizarren Bühnenshow sicher zu einen der Highlights des Wochenendes.
Tyske Ludder
Kaum zu glauben aber fast 30 Jahre gibt es nun schon „Tyske Ludder" und
gerade die Nicht-Elektro-Fans haben von der Band bisher wenig wahrgenommen. Ich
muss gestehen, als Nicht-EBM-Fan sind sie mir auch noch nicht begegnet. Was ich
nach dem Auftritt in der Sumpfblume eher bedauere. Denn es war wohl einer der
energiegeladensten des Wochenendes. Ein schweißtriefender Sänger und ein
ziemlich durchgeknallter (im positivsten aller Sinne) Schlagzeuger brachten die
Sumpfblume zum Kochen, während der zweite Schlagzeuger ziemlich ruhig hinter
seinem Schlagzeug verweilte. Allein zwei Schlagzeuger machen ja was her, aber
wenn dann einer noch so extrovertiert ist und sich so um die Show verdient
macht, macht das ganz besonders Spaß. Ein EBM-Fan bin ich nach dem Auftritt
zwar immer noch nicht, die Band will ich aber auf alle Fälle wiedersehen. Das
ist schon ein echtes Live-Event.
Diary of Dreams
Richtig abgeliefert haben ohne Frage die Co-Headliner des Autumn Moon 2018,
„INVSN" am Freitag und „Diary of Dreams" am Samstag. Die Band ist inzwischen eine
feste Größe in der Szene und lohnt immer einen Konzertbesuch. Zappelmusik ist
nicht das Ding von Sänger Adrian Hates und seiner Band. Da dominiert ruhigerer
Dark-Wave, Elektro und Future-Pop und die markante Stimme des Sängers. Nichts
zum Abfeiern, eher was zum Träumen und zum Genießen bei einem richtig
beeindruckenden Sound an diesem Tag. Schade, dass um 21.15 das Konzert „Der
Kammer“ auf der Moon Stage anstand, ich hätte „Diary of Dreams" noch gerne länger
zugehört.
Die Kammer
Das Kammerkonzert im wahrsten Sinne des Wortes hatte auch zur Folge, dass
für (:SITD:) in der Sumpfblume keine Zeit blieb. Aber vorzeitig
die Halle zu verlassen brachte ich nicht übers Herz. M und M, also
Marcus und Matze hatten die große Besetzung mitgebracht. Das sind u.a. auch
Oliver Himmighoffen am Schlagzeug, Matthias Raue an der Violine und als ganz
besondere Überraschung auch Linda Laukamp am Cello. Die
Lyriel-Cellisten agierte zwar viel zurückhaltender als mit ihrer Stammband,
musikalisch ist es aber auch hier ein echter Genuss, was natürlich für alle 3
Streicher gleichermaßen gilt. Hinzu kommt dann noch Tuba und Bass und fertig
ist das Kammerorchester. Völlig egal allerdings ob M+M zu zweit als „Kammer
minimized" auftreten oder in voller Besetzung, ein besonderes Highlight ist es
immer. Beim Autumn Moon war auch Releasetag von Season IV-Some T#ings wrong und
so gab es natürlich auch ganz Neues zu hören. Aber auch ältere Knaller wie
„Sinister Sister“. Nur eine der besten Hymnen der Schwarzen Szene
überhaupt „The Orphanage“ konnte man nicht erleben, ein kleiner Wermutstropfen.
Der zweite war sicher die viel zu kurze Spielzeit, die aufgrund
Stromausfalls noch etwas kürzer geriet, was die 2 Kammer-Macher locker sehr
unterhaltsam überspielten. Derzeit ist die Band ja auf Tour, wer sie da noch
nicht besucht hat, sollte unbedingt hingehen. Auch das Publikum in Hameln sah
das übrigens so und feierte die Band lautstark nach dem Auftritt.
Covenant
So gut gefüllt wie beim Auftritt des Samstagheadliners „Covenant" war die
Rattenfängerhalle wohl überhaupt noch nie in der Autumn Moon Geschichte. Kein
Wunder, denn im Gegensatz zu „The Fields of the Nephilim“ wurden die Schweden
den hohen Erwartungen auch locker gerecht. Eigentlich eher als Elektroact
gestartet hat sich die Band grandios weiterentwickelt. Und Dank eines absolut charismatischen
Frontmanns versteht es „Covenant" vom ersten Ton an das Publikum völlig zu packen.
Der Wandertag aus der Halle ala „Fields
of the Nephilim" fiel komplett aus, Die Band ist inzwischen was die Musik
betrifft auch unheimlich breit aufgestellt. Neben Elektrofans haben auch
Trip-Hop-Liebhaber, Future-Pop-Fans genauso ihre Freude, wie Wave-Liebhaber
oder Ambient-Fans. Allein die ersten 4 Songs der Setlist waren schon eine Klasse
für sich. Und Sänger Eskil Simonsson überzeugte mit seiner Stimme auf der
ganzen Linie. Schade, dass in der Sumpfblume schon 30 Minuten später die
Oberfranken von „Maerzfeld" auf der Bühne standen, der Auftritt wäre es wert
gewesen, ihn vom ersten bis zum letzten Ton zu verfolgen.
Maerzfeld
Am meisten leiden unter der starken Covenant-Vorstellung musste sowieso „Maerzfeld",
denn dadurch war in der Sumpfblume noch reichlich Platz. Wer trotzdem gekommen
war hatte das aber sicher nicht bereut. Maerzfeld und gerade Sänger Heli
Reißenweber garantieren immer beste Unterhaltung. Hinzu kommt, dass der
Gastwirt aus Kulmbach auch noch höchst unterhaltsam und witzig ist, was den
Gesamteindruck der Band nur noch vergnüglicher macht. Und da er wie immer das
Herz auf der Zunge trägt, brachte ihn die hübsche Dame mit zwei hervorstehenden
Reizen merklich aus dem Konzept, was er in einer launigen Bemerkung auch offen
zugab. Erstaunlich wie unterschiedlich seine Stimme bei „Stahlzeit" und „Maerzfeld"
klingt, Und um das fast Gebetsmühlenartig zu wiederholen, mit
Nationalsozialismus und Rassismus hat die Band wahrlich nichts am Hut. Es ist
ziemlich egal ob man „Stahlzeit"- oder „Maerzfeld"-Konzerte besucht. Unterhalten
wird man immer bestens, wenn auch bei „Stahlzeit" natürlich mit weit mehr Feuer, dafür kommt bei „Maerzfeld" die Show ebenfalls nicht zu kurz.
Grausame Töchter
Erstaunlich wie schnell zwei Tage vorbei gehen können, aber einen absoluten
Knaller hatte das Autumn Moon Festival mit dem Auftritt der „Grausamen Töchter"
dann jedoch schon noch zu bieten. Viel nackte Haut, schöne Frauen,
provozierend, diskussionswürdig und höchst unterhaltsam war Aranea Peel und die
„Grausamen Töchter" auch in Hameln und es war sicher auch sinnvoll den Auftritt
erst so spät anzusetzen, eine Alterbeschränkung von 18 ist durchaus auch
verständlich, auch wenn das auf der Bühne gezeigte wahrlich nicht so schlimm
war. Aber heutzutage sind auch Dank der prüden amerikanischen Netzwerke ala
Facebook und Instagram nackte Haut und Nippel weitaus schlimmer und ein größerer
Aufreger als Gewalt und Hass. Versteh einer die Welt.
Was man aber unbedingt auch noch erwähnen sollte ist, dass die „Grausamen
Töchter" auch musikalisch so einiges zu bieten haben. Ihre Mischung aus EBM,
Industrial, Punk, und rotzigen Deutschpop hat etwas und der doppelte Ausflug in
die gute alte Neue-Deutsche-Welle-Zeit mit den Witt-Kultsong Goldener Reiter
und dem Hubert-Kah-Evergreen Rosemarie hatte eine außergewöhnliche Qualität.
Wenn man Kultsongs covert und dabei letzterer auch noch besser als das Original
wird, zeigt dass mehr als deutlich, dass Aranea Peel auch musikalisch mächtig
was „draufhat“, weit mehr als ihre Kritiker ihr immer abzusprechen versuchen.
Und choreographisch war das was die 3 Ladies ablieferten auch nicht von
schlechten Eltern. Der Auftritt war das Ausrufezeichen zweier toller
Festivaltage.
Pat Razket
Obwohl der Bericht schon sehr lange geworden ist, zwei Bands sollte man
unbedingt noch erwähnen. Das sind zunächst einmal die Schwedischen Piraten von „Pat
Razket". Die haben zwar noch nicht ganz die Klasse von „Ye Banished Privateers",
Ähnlichkeiten sind aber sicher nicht von der Hand zu weisen. Das ist aber auch
eine besondere Messlatte, die man bei „Pat Razket" eigentlich nicht anlegen muss,
sind die doch das beste was man im Piratenmusikbereich wohl live erleben kann
und sicher irgendwo auch Vorbild für „Pat Razket".
Sicher werden auch „Pat Razket" ihren Weg gehen, die Auftritte beim Autumn
Moon machten total Lust auf mehr. Das gilt auch für „Mac Cabe und Kanaka", dass
Irish Folk Duo aus Lübeck.
Dragol
Die zweite Band die ich unbedingt noch erwähnen muss sind die
Düstermärchenerzähler von „Dragol". Runa und Vhandill sind sehr eigen, immer ein
Plus um sich positiv abzuheben und auch optisch machen die zwei eine sehr gute
Figur.
Wer jetzt denkt das wars, was man auf den Autumn Moon erleben konnte den
muss ich enttäuschen. Es ist nur ein kleiner Abriss, alle Konzerte auf den
Schiff bzw. Schiffen u.a. mit der großartigen Band Wisborg fehlen völlig, die
Moon Stage kam auch viel zu kurz, wo es noch so einiges interessantes zu hören
gab und auch am Markt gab es zum Beispiel mit „Oro", der Band der immer
großartigen Jule Bauer, „Veytstanz" oder „Cradem Aventure" sehenswertes um nur mal
drei zu erwähnen.
Man schafft halt einfach nur einen Teil und obwohl ich schon viel gesehen
habe, hätte ich so gerne noch viel mehr live miterlebt.
Das wird auch 2019 so sein, deshalb beginnt schon jetzt die Vorfreude
darauf, hoffentlich dann auch wieder bei so unglaublich tollen Festivalwetter
wie 2018. Das ist allerdings kaum zu toppen.
Zu den Galerien
Aeternitas
And also the Trees
Apocalypse Orchestra
Coppelius
Covenant
Der Prager Handgriff
Diary of Dreams
Die Kammer
Dool
Dragol
Eisfabrik
Fairytale
Fields of the
Nephilim
Funker Vogt
Grausame Töchter
INVSN
Kellermensch
Leather Strip
MacCabe and
Kanaka
Maerzfeld
Mila Mar
Pat Razket
Schattenmann
Sinheresy
Solar Fake
System Noire
The Red Paintings
Then Comes Silence
Tyske Ludder
Veytstanz
Vroudenspil
Impressionen Freitag
Impressionen Samstag