Helmbrechts, Bürgersaal 04.10.2013
So
richtig perfekt ist ein Konzertabend , wenn neben dem Hauptakt auch das
Vorprogramm so richtig überraschen und überzeugen kann. Mit
Stephanie Neigel hat Tanita Tikaram eine solche Überraschung als
Support mit nach Helmbrechts gebracht. Die Frau mit dem klangvollen
Nachnamen Neigel ( Jule Neigel ist übrigens die Tante) ist eine im
Jahre 1986 in Worms geborene Sängerin, die mit Introducing
Stephanie Neigel gerade ihre erste CD herausgebracht hat. Normalerweise
ist sie mit Band unterwegs , in Helmbrechts gab es die kleine Besetzung
zu hören mit Gitarristen Nils Becker und stimmlicher
Verstärkung durch eine Loop Station. Die singt sie während
des Auftritts ein, was für den einen oder anderen etwas skuril
klingen mag, was aber zu wirklich sehr brauchbaren Klangbildern
führt. Wie auch die Mundtrompete die sie als Ersatz für eine
echte bei einem Stück benützt. Mutig aber gekonnt, so kann
man den ganzen Auftritt umschreiben. Das geht schon damit los, dass
Stephanie Neigel die Bühne betritt und das Publikum gleich zum
mitsingen zu animieren versucht. So etwas hab ich noch nie erlebt, ohne
selbst einen Ton gesungen zu haben, den Chor einzufordern kann auch
mächtig in die Hose gehen. In Helmbrechts ging es zwar auch recht
schleppend doch schon nach wenigen Minuten hatte sie die Herzen des
Publikums erreicht. Und das mit einer poppig , jazzig , soulig,
bluesigen Mischung ruhiger und melancholischer, dann wieder dynamisch
fröhlicher Songs.
Man merkt der in Mannheim an der Hochschule für Musik und
Darstellenden Kunst Gesang studierenden Musikerin und ihrem Partner an,
dass sie viel Spaß daran haben sich in Helmbrechts vor einem
einmal mehr sehr aufmerksamen Publikum zu präsentieren. Und von
dem gibt es kräftigen Applaus, besonders als Stephanie Neigel am
Flügel Rainbow den schönsten Song des viel zu kurzen Sets mit
5 Songs vorstellte. Dank gleicher Plattenfirma hat Stephanie Neigel die
Chance bekommen als Tikaram-Support Werbung in eigener Sache zu machen,
das hat sie ganz hervorragend genützt. Eine junge hoch talentierte
Deutsche Musikerin, die sicher noch für viel schöne Musik
sorgen wird. Und hoffentlich mit mehr Pop und weniger Jazz in den Songs.
Und das nicht nur mit Band, als Teil des weiblichen A-Capella-Band Les
Brünettes kann man Stephanie Neigel ebenfalls auf der Bühne
sehen. Und Stephanie Neigel lohnt sich, das sollte sich auch mal die
Tante Jule gönnen, die in der eigenen Familie mächtig
Konkurrenz bekommt.
Tanita Tikaram als One Hit Wonder zu bezeichnen ist definitiv falsch,
auch wenn der Übersong der im Jahre 1969 geborenen Musikerin Twist
in my Sobriety ein absoluter Welthit geworden ist und ihr erstes Album
dadurch über 4 Mio mal verkauft wurde und das mit 19. Alle anderen
Alben hatten nicht annähernd diesen Erfolg und dann heißt es
ja immer sehr schnell One Hit Wonder. Den Gegenbeweis trat die Tochter
eines von den Fidschi-Inseln stammenden Vaters und einer in Malaysia
geborenen Mutter in Helmbrechts eindrucksvoll selbst an. Bereits die
beiden ersten Songs des Abends Good Tradition und World outside your
window sind ähnlich schön und sorgen gleich zu Beginn Dank
Tikarams tiefem Timbre für eine musikalische Reise in die
Vergangenheit. Doch in der ist Tikaram nicht stehen geblieben, ganz im
Gegenteil das 7 Jahre nach dem letzten Album 2012 erschienene Werk mit
dem fast trotzigen Titel Can`t go back zeigt, dass Tanita Tikaram nicht
gewillt ist die Vergangenheit zu verwalten, sondern musikalisch auch in
Zukunft Ausrufezeichen zu setzen. In Helmbrechts geschieht dies mit
einer perfekt harmonierenden Band und mit Gitarren, Kontrabass,
Schlagzeug, Flügel, Klarinette, Querflöte und vor allem
Saxophon.
Man möchte am liebsten aufspringen und laut Jack Blues is alive
rufen, wenn man den kleinen Saxophonisten Martin Winning an diesem
Abend erlebt. Locker könnte er bei den Blues Brothers mitspielen ,
er ist das absolute Highlight des Abends und untersützt Tanita
Tikaram musikalisch wirklich grandios. Und die kann nicht nur
schwermütig traurige Songs schreiben, he likes the sun ist ein
Beispiel für eine fröhlich groovende Tanita Tikaram, die vor
allem die Lieder des neuen Albums dem begeisterten Publikum
präsentiert. Meist mit Unterstützung der Band und sich selbst
an der Gitarre begleitend, aber auch schon mal musikalisch ziemlich
reduziert am Flügel sitzend bei z.B. Make the day oder mal im
Duett mit Gitarrist Bryan Day bei One Day.
Die für mich stärksten Momente hatte das Konzert bei den ganz
sparsam instrumentierten Chathedral Song und ganz zum Schluss als
Tanita Tikaram alleine auf der Bühne Little Sister Leaving Town
zum besten gab leider mit entsprechend lästigem
Vibrationsgeräusch, wenn sie stimmlich richtig Gas gab. Dass liegt
sicher auch daran , dass ich nicht so ein ganz großer Fan bin,
wenn die Band zu sehr nach Bar-Jazz, 50`s Swing und Blues klingt.
Und dass Tanita Tikaram selbst aus einem ausgelutschten Welthit wie
"Love is in the Air" von John-Paul Young Dank Stimme mit hohem
Wiedererkennungswert noch etwas positives herausholen kann, durfte das
zum Schluss fast geschlossen stehend applaudierende Publikum im
Zugabeblock erleben. Und die wollten die über soviel Zuneigung
sichtlich gerührte Sängerin am liebsten gar nicht mehr gehen
lassen. Und so fiel die anschließende Autogrammstunde auch etwas
länger aus und ihre neuste CD Can`t go back ging weg wie die
sprichwörtlich warmen Semmeln.
zur Stephanie Neigel-Bildergalerie
zur Tanita Tikaram Bildergalerie