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Ost+Front 2013
     Solange du dem anderen sein Anderssein nicht verzeihen kannst, bist du noch
               weit ab vom Weg zur Weisheit.                  Aus China


Affalter, Zur Linde 08.02.2014


Sie provozieren, sie polarisieren, sie schrecken ab und schockieren. Und es kommt schon mal vor, dass ein Konzert durch einen Bürgermeister trotz gültigem Vertrag einfach verboten wird, weil man mit der rechten Band oder dem rechten Gedankengut , das sie verbreiten und der Gewaltverherrlichung die sie verkörpern  nichts zu tun haben will. Zurecht?

Ich hab da so meine Zweifel, hat man nicht gerade deshalb, um nicht ständig diesem Vorwurf ausgesetzt zu sein, extra den Bandnamen von Ostfront in Ost + Front umgeändert. Und musste sich nicht auch Deutschlands Vorzeigeband Nummer 1 der „Neuen Deutschen Härte“ Rammstein schon mehrfach solchen Vorwürfen  erwehren.  Überhaupt scheint man ja immer sehr schnell mit diesem Vorwurf bei der Hand zu sein, wenn es sich um eine Band der Neuen Deutschen Härte handelt. Und da ist Ost+Front eine hochinteressante, eine die mit brachialen Riffs, hämmernden Elektroklängen, neo –klassischen Chorgesängen und zum Teil extrem eingängigen Melodien bis zum „Kinderlied“ incl. rollenden R im Gesang und viel Zynismus in den Texten schon sehr Rammstein-Like daher kommt.

Zugegeben , auch das Plus macht den Namen nicht wirklich viel besser (und von jedem Zweifel erhaben) und das martialische Auftreten und Gehabe incl. Outfit des Sängers hilft nicht wirklich, solche Vorwürfe zu entkräften.

Aber ist das Ganze nicht einfach dem Konzept Ost+Front geschuldet, dient es nicht dazu umso drastischer den Menschen den Spiegel vorzuhalten, über die vielen vielen Missstände auf der Welt, die verstören , schockieren und einem an der Menschheit zweifeln lassen zu berichten und anzuprangern, zugegeben in einer durchaus verstörenden Art und Weise, die polarisiert und provoziert  und die Anlass zu reichlich Diskussionen bietet , die aber auch und das sollte man auch nicht vergessen wesentlich öffentlichkeitswirksamer ist . Kein Wunder, dass Ost+Front sich sehr schnell einen Namen in der Szene gemacht haben und nach Ave Maria Album Nummer 2 Olympia auf Platz 25 der Charts einsteigen konnte. Natürlich ganz ohne Radiosupport, das versteht sich ja schon fast von selbst.

Wie steht es so schön in der Platteninfo über Olympia: Eine unerbittliche Chronik unserer Zeit…  und weiter … Ballast , der sich nach über einem Jahr ausgiebiger Recherche sämtlicher Niederungen der Menschheit in Hermanns Kopf angesammelt hat, beschönigt nichts , schafft Musik und Texte die abstoßen und wehtun sollen und betrachtet unsere kranke Welt … durch die schwarze Brille der bitterbösen Satire.“

Lassen wir das mal so stehen.

Hermann , das ist Hermann Ostfront auch bekannt als Patrick der Kalauer zu seinen Tanzwut und Corvus Corax Zeiten oder als Okusa der Bullige bzw Okusa als damaliges Schelmish Mitglied und noch immer in der Live Besetzung von Oomph.  Allein das ist schon verstörend genug, den ehemals fröhlichen Spielmann nun als böses Geschöpf , blutverschmiert und deutlich dünner auf der Bühne zu erleben und das mit einer Musik die so gar nichts mit den Klängen von Corvus und Schelmish zu tun hat.

Patrick Ostfront heißt im wirklichen Leben Patrick Lange, ein Songwriter der von Rock und Metal bis zur Operette und Hörspielmusik viel drauf hat , vor allem aber ein unglaubliches Gespür trotz aller Härte die Melodie nicht aus den Augen zu verlieren. Vieles ist so eingängig, dass es sofort ins Ohr geht und so schnell da auch nicht wieder raus will. So wie "Liebeslied", "Sonne, Mond und Sterne" und das extrem geniale "Schlag Mich" um nur einmal 3 Beispiele zu nennen. Natürlich sind alle 3 Songs in der Setlist zu finden, die mit 18 Songs reich gefüllt ist. "Schlag mich" gibt es übrigens auch in einer wesentlich ruhigeren Version mit Alea von Saltatio Mortis als Sänger, der das schon tolle Stück noch auf eine weitaus höhere Qualitätsstufe gebracht hat.

Zum Intro „Auferstanden aus Ruinen“ die ehemalige DDR Nationalhymne, geht es los , während sich hinter der Nebelwand die „Masken-Musiker“ incl. einem bluttriefendem Hermann Ostfront aufbauen und nahtlos Song 1 Ost+Front 2014 sich daran anschließt. Nahtlos ist überhaupt das Schlagwort an diesem Tag, es geht alles nahtlos ineinander über. Fleisch, Liebeslied, Heimkind, Feuerwasser usw. Keine Begrüßung, keine Ansage, das Band läuft einfach durch und Ost+Front bieten dazu fraglos eine sehenswerte Show. Das ganze wirkt irgendwie wie ein fleischgewordener Videoclip. Da gibt Keyboarder Eva Edelweiss kleine Fleischstückchen aus der Nierenschale ans Publikum aus, da kümmert sich Hermann Ostfront bei "Heimkind" auf eine ganz spezielle Art ums Heimkind, das keiner mag, da gibt es zu "Feuerwasser" selbiges blutrot aus dem Infusionsbeutel, da wird Headgebangt, wie Lindemann bei Rammstein Shows usw. Einen Gangbang, wie das gleichnamige Lied live auf der Bühne gab es allerdings nicht zu bestaunen, trotz, warum auch immer,  Ü18 Veranstaltung.

Showmässig sehenswert und doch nicht ganz überzeugend. Weil es einfach zu nahtlos war, weil es kein wirkliches Live Feeling gab. So hätte z.B. Bei "Schlag mich" ein begeistertes Publikum problemlos einen tollen Chor abgegeben und die Band durchaus Pause machen können. Das ist aber einfach nicht möglich , wenn vieles, wenn nicht alles vom Band kommt incl. Gesang.

Ob dies wirklich der Weg ist Ost+Front live zu präsentieren ist die Frage.  Für Fans der Neuen Deutschen Härte die noch dazu sehnsuchtsvoll auf neues von Rammstein warten ist Olympia ein absolutes Muss, sie werden das Album lieben und nicht nur die. Und die „Videoshow“ ist ebenfalls absolut sehenswert, wer aber echtes Live Feeling will, der wird mit einem  Auftritt von Ost+Front so nicht glücklich sein. 

Wesentlich mehr Live Feeling für die zahlreichen Zuhörer hatte da schon Herzparasit zu bieten. Ric-Q Winther startete singend seinen Weg durchs Publikum auf die Bühne , während Gitarrist El Toro dort auf ihn wartete. Auch Herzparasit haben sich ganz der Neuen Deutschen Härte verschrieben und ähnlich wie Ost+Front versuchen sie auch visuell den Besuchern einiges zu bieten. Mit Lasermikrofon und vielen LEDs  war der Auftritt richtig etwas fürs Auge auch wenn nicht alles 100%ig klappte. So verweigerte die lustige Seifenblasenmaschine beharrlich ihren Dienst und auch die LED Lampe um den Hals des Sängers  wollte nicht so ganz, wie Herzparasit das eigentlich wollten. Das tut dem ganzen vergnüglichen Treiben aber keinen Abbruch, „thats live!“

Ein weitererer Besuch beim Publikum , fliegende Spielkarten ins Publikum geworfen, einen unaufmerksamen Zuschauer schon einmal kurz mit den Stockknauf aufgeweckt, Herzparasit bemühten sich sichtbar darum, das Publikum bestens zu unterhalten, was ihnen auch vorzüglich gelang. Die Musik ist weit weniger eingängig , wie die Songs von Ost+Front und man selbst bezeichnet die Musik gerne als „Deutschen Herz-Industriemetall“ den man 2011 auf der CD Fromme Lämmer auch auf Tonträger verewigt hat. Mehrmals fragte der Sänger das sichtbar angetane, aber sehr zurückhaltende Publikum , ob man schon vergiftet sei, ganz in Anlehnung an den Song der Band „Lass Dich vergiften“. Und von Song zu Song wurden es mehr, so dass das Publikum am Ende noch energisch Zugaben forderte . Einem Wunsch, den die sichtbar gutgelaunten Musiker gerne nachkamen.

Ost und Front und als Vorband Herzparasit sind ein starkes visuelles Doppel, dem Publikum im  gut besuchten Saal im Gasthof Linde in Affalter wurde für einen sehr fairen Eintrittspreis wirklich etwas geboten. Und die Location selbst ist eine tolle Konzertlocation mit „DDR Nostalgieflair“, perfekt für beide Bands an diesem Abend geeignet und immer einen Besuch wert, nicht nur an diesem Abend.



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Da die Bilder vielleicht etwas verstören können, sollten Zuschauer unter 16 jetzt besser nicht klicken. Wer klickt bestätigt, dass er mindestens 16 Jahre ist.

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