Sie
provozieren, sie polarisieren, sie schrecken ab und schockieren. Und es
kommt schon mal vor, dass ein Konzert durch einen Bürgermeister
trotz gültigem Vertrag einfach verboten wird, weil man mit der
rechten Band oder dem rechten Gedankengut , das sie verbreiten und der
Gewaltverherrlichung die sie verkörpern nichts zu tun haben
will. Zurecht?
Ich
hab da so meine Zweifel, hat man nicht gerade deshalb, um nicht
ständig diesem Vorwurf ausgesetzt zu sein, extra den Bandnamen von
Ostfront in Ost + Front umgeändert. Und musste sich nicht auch
Deutschlands Vorzeigeband Nummer 1 der „Neuen Deutschen
Härte“ Rammstein schon mehrfach solchen Vorwürfen
erwehren. Überhaupt scheint man ja immer sehr schnell mit
diesem Vorwurf bei der Hand zu sein, wenn es sich um eine Band der
Neuen Deutschen Härte handelt. Und da ist Ost+Front eine
hochinteressante, eine die mit brachialen Riffs, hämmernden
Elektroklängen, neo –klassischen Chorgesängen und zum
Teil extrem eingängigen Melodien bis zum „Kinderlied“
incl. rollenden R im Gesang und viel Zynismus in den Texten schon sehr
Rammstein-Like daher kommt.
Zugegeben
, auch das Plus macht den Namen nicht wirklich viel besser (und von
jedem Zweifel erhaben) und das martialische Auftreten und Gehabe incl.
Outfit des Sängers hilft nicht wirklich, solche Vorwürfe zu
entkräften.
Aber
ist das Ganze nicht einfach dem Konzept Ost+Front geschuldet, dient es
nicht dazu umso drastischer den Menschen den Spiegel vorzuhalten,
über die vielen vielen Missstände auf der Welt, die
verstören , schockieren und einem an der Menschheit zweifeln
lassen zu berichten und anzuprangern, zugegeben in einer durchaus
verstörenden Art und Weise, die polarisiert und provoziert
und die Anlass zu reichlich Diskussionen bietet , die aber auch und das
sollte man auch nicht vergessen wesentlich
öffentlichkeitswirksamer ist . Kein Wunder, dass Ost+Front sich
sehr schnell einen Namen in der Szene gemacht haben und nach Ave Maria
Album Nummer 2 Olympia auf Platz 25 der Charts einsteigen konnte.
Natürlich ganz ohne Radiosupport, das versteht sich ja schon fast
von selbst.
Wie
steht es so schön in der Platteninfo über Olympia: Eine
unerbittliche Chronik unserer Zeit… und weiter …
Ballast , der sich nach über einem Jahr ausgiebiger Recherche
sämtlicher Niederungen der Menschheit in Hermanns Kopf angesammelt
hat, beschönigt nichts , schafft Musik und Texte die
abstoßen und wehtun sollen und betrachtet unsere kranke Welt
… durch die schwarze Brille der bitterbösen Satire.“
Lassen wir das mal so stehen.
Hermann
, das ist Hermann Ostfront auch bekannt als Patrick der Kalauer zu
seinen Tanzwut und Corvus Corax Zeiten oder als Okusa der Bullige bzw
Okusa als damaliges Schelmish Mitglied und noch immer in der Live
Besetzung von Oomph. Allein das ist schon verstörend genug,
den ehemals fröhlichen Spielmann nun als böses Geschöpf
, blutverschmiert und deutlich dünner auf der Bühne zu
erleben und das mit einer Musik die so gar nichts mit den Klängen
von Corvus und Schelmish zu tun hat.
Patrick
Ostfront heißt im wirklichen Leben Patrick Lange, ein Songwriter
der von Rock und Metal bis zur Operette und Hörspielmusik viel
drauf hat , vor allem aber ein unglaubliches Gespür trotz aller
Härte die Melodie nicht aus den Augen zu verlieren. Vieles ist so
eingängig, dass es sofort ins Ohr geht und so schnell da auch
nicht wieder raus will. So wie "Liebeslied", "Sonne, Mond und Sterne"
und das extrem geniale "Schlag Mich" um nur einmal 3 Beispiele zu
nennen. Natürlich sind alle 3 Songs in der Setlist zu finden, die
mit 18 Songs reich gefüllt ist. "Schlag mich" gibt es
übrigens auch in einer wesentlich ruhigeren Version mit Alea von
Saltatio Mortis als Sänger, der das schon tolle Stück noch
auf eine weitaus höhere Qualitätsstufe gebracht hat.
Zum
Intro „Auferstanden aus Ruinen“ die ehemalige DDR
Nationalhymne, geht es los , während sich hinter der Nebelwand die
„Masken-Musiker“ incl. einem bluttriefendem Hermann
Ostfront aufbauen und nahtlos Song 1 Ost+Front 2014 sich daran
anschließt. Nahtlos ist überhaupt das Schlagwort an diesem
Tag, es geht alles nahtlos ineinander über. Fleisch, Liebeslied,
Heimkind, Feuerwasser usw. Keine Begrüßung, keine Ansage,
das Band läuft einfach durch und Ost+Front bieten dazu fraglos
eine sehenswerte Show. Das ganze wirkt irgendwie wie ein
fleischgewordener Videoclip. Da gibt Keyboarder Eva Edelweiss kleine
Fleischstückchen aus der Nierenschale ans Publikum aus, da
kümmert sich Hermann Ostfront bei "Heimkind" auf eine ganz
spezielle Art ums Heimkind, das keiner mag, da gibt es zu "Feuerwasser"
selbiges blutrot aus dem Infusionsbeutel, da wird Headgebangt, wie
Lindemann bei Rammstein Shows usw. Einen Gangbang, wie das gleichnamige
Lied live auf der Bühne gab es allerdings nicht zu bestaunen,
trotz, warum auch immer, Ü18 Veranstaltung.
Showmässig
sehenswert und doch nicht ganz überzeugend. Weil es einfach zu
nahtlos war, weil es kein wirkliches Live Feeling gab. So hätte
z.B. Bei "Schlag mich" ein begeistertes Publikum problemlos einen
tollen Chor abgegeben und die Band durchaus Pause machen können.
Das ist aber einfach nicht möglich , wenn vieles, wenn nicht alles
vom Band kommt incl. Gesang.
Ob
dies wirklich der Weg ist Ost+Front live zu präsentieren ist die
Frage. Für Fans der Neuen Deutschen Härte die noch dazu
sehnsuchtsvoll auf neues von Rammstein warten ist Olympia ein absolutes
Muss, sie werden das Album lieben und nicht nur die. Und die
„Videoshow“ ist ebenfalls absolut sehenswert, wer aber
echtes Live Feeling will, der wird mit einem Auftritt von
Ost+Front so nicht glücklich sein.
Wesentlich
mehr Live Feeling für die zahlreichen Zuhörer hatte da schon
Herzparasit zu bieten. Ric-Q Winther startete singend seinen Weg durchs
Publikum auf die Bühne , während Gitarrist El Toro dort auf
ihn wartete. Auch Herzparasit haben sich ganz der Neuen Deutschen
Härte verschrieben und ähnlich wie Ost+Front versuchen sie
auch visuell den Besuchern einiges zu bieten. Mit Lasermikrofon und
vielen LEDs war der Auftritt richtig etwas fürs Auge auch
wenn nicht alles 100%ig klappte. So verweigerte die lustige
Seifenblasenmaschine beharrlich ihren Dienst und auch die LED Lampe um
den Hals des Sängers wollte nicht so ganz, wie Herzparasit
das eigentlich wollten. Das tut dem ganzen vergnüglichen Treiben
aber keinen Abbruch, „thats live!“
Ein
weitererer Besuch beim Publikum , fliegende Spielkarten ins Publikum
geworfen, einen unaufmerksamen Zuschauer schon einmal kurz mit den
Stockknauf aufgeweckt, Herzparasit bemühten sich sichtbar darum,
das Publikum bestens zu unterhalten, was ihnen auch vorzüglich
gelang. Die Musik ist weit weniger eingängig , wie die Songs von
Ost+Front und man selbst bezeichnet die Musik gerne als
„Deutschen Herz-Industriemetall“ den man 2011 auf der CD
Fromme Lämmer auch auf Tonträger verewigt hat. Mehrmals
fragte der Sänger das sichtbar angetane, aber sehr
zurückhaltende Publikum , ob man schon vergiftet sei, ganz in
Anlehnung an den Song der Band „Lass Dich vergiften“. Und
von Song zu Song wurden es mehr, so dass das Publikum am Ende noch
energisch Zugaben forderte . Einem Wunsch, den die sichtbar
gutgelaunten Musiker gerne nachkamen.
Ost
und Front und als Vorband Herzparasit sind ein starkes visuelles
Doppel, dem Publikum im gut besuchten Saal im Gasthof Linde in
Affalter wurde für einen sehr fairen Eintrittspreis wirklich etwas
geboten. Und die Location selbst ist eine tolle Konzertlocation mit
„DDR Nostalgieflair“, perfekt für beide Bands an
diesem Abend geeignet und immer einen Besuch wert, nicht nur an diesem
Abend.
Da die Bilder vielleicht etwas verstören können, sollten
Zuschauer unter 16 jetzt besser nicht klicken. Wer klickt
bestätigt, dass er mindestens 16 Jahre ist.