Tess Wiley
und
Phillip Boa
and the
Voodooclub
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Nürnberg, Hirsch 13.11.2014
Obwohl er einer der ganz erfolgreichen Deutschen Musiker ist , weiß man über Phillip Boa trotzdem relativ wenig.
John Robb, ein renommierter englischer Musikkritiker hat über ihn
einmal gesagt "Boa ist einer der bedeutendsten deutschen Künstler
der letzten 30 Jahre". Und die Ärzte singen im Song "Wir sind die
besten" über ihn. Und trotzdem nimmt man Phillip Boa in der breiten
Öffentlichkeit lange nicht so wahr, wie einen Grönemeyer ,
einen Westernhagen , einen Maffay und wen es da so alles gibt. Um nicht
zu sagen, so gut wie gar nicht, obwohl viele schon den einen oder
anderen Boa Song gehört haben, ohne es überhaupt zu wissen.
Das liegt sicher auch daran, dass er sich beharrlich weigert sich und
seine Musik zu verkommerzialisieren und in den großen Medien
präsent zu sein . Er ist Independent und ist sich da immer treu
geblieben. Auch seiner Frisur, auch seiner Show, auch und gerade seine
Musik. Die könnte wesentlich kommerzieller und melodischer sein,
wenn er das denn wollte. Aber das würde heißen er
müsste sich für den Massengeschmack prostituieren und das
würde einen Phillip Boa auch für allen Ruhm und alles Geld der
Welt sicher nicht einfallen.
Bis heute ist Boa gar nicht so einfach einzuordnen, da gibt es
Punk und New Wave Einflüsse, Avantgardistisches ist nicht zu
verleugnen und trotz überraschender Tempo-, Stil- und
Stimmungswechseln in der Musik ist Phillip Boa auch reichlich Pop und
Indie Pop vom feinsten. Der Kerl hat einfach eine unglaubliche Gabe
melodiöse Songs zu schreiben, das hat sich bis heute nicht
geändert und zeigt sich auch auf der neusten Scheibe Bleach House
, die wie auch das Konzert mit dem Kracher Kill the Future beginnt.
Aber damit erreicht Mann (oder man) halt nicht die Masse aller
Musikhörer, ist nicht Mainstream genug und das ist auch gut so.
Phillip Boa ist Phillip Boa und da hat sich Gott sei Dank seit
Gründung von Phillip Boa and the Voodooclub 1985 bis heute nicht
geändert.
Bis heute ist der Name Phillip Boa auch untrennbar mit seiner weiblichen
Stimme Pia Lund verknüpft, ehemalige Partnerin und das
Sahnehäubchen vieler Boa Songs. 2013 war dann endgültig
Schluss und Boa auf der Suche nach einer neuer weiblichen
Stimmunterstützung. Und nicht wenige haben eh gedacht, Pia Lund
kann man nicht adäquat ersetzen. Boa sieht das wesentlich
entspannter ganz nach der Devise "Its the Song not the Singer".
Aber bereits auf Bleach House wurde man eines besseren belehrt und das
Konzert bewies dies auch. Phillip Boa und der Voodooclub fesselt auch
2014 ihr Publikum , auch Dank der mysteriösen Pris, Boas neuer
weiblichen Stimme. Der Name ist angelehnt an die Figur aus dem
Bladerunner Film und recht viel mehr weiß man von der Frau , die
das Konzert wie Puck die Stubenfliege mit großer Sonnenbrille
beginnt auch nicht. Was man aber sehr schnell merkt ist, dass die Frau
singen kann und die Stimme schon eine gewisse Ähnlichkeit zu Pia
Lund aufweist. Und im Fortgang des Konzerts macht es mächtig
Spaß sie auf der Bühne zu beobachten, wie sie ohne eine
Miene zu verziehen, relativ stoisch und robotergleich die Songs
interpretiert . Das hat schon was und steht im krassen und spannenden
Gegensatz zu Phillip Boa, der wie immer ziemlich unnahbar und bisweilen
wild mit den Händen fuchtelnd und irrem Blick wie gerade aus der
Nervenklinik ausgebrochen wirkt. Da wird schon mal wie wild
Luftgitarre gespielt um im nächsten Moment wie eingefroren am
Mikrofon zu stehen oder wie bei Headbanger auch schon mal mit dem
Rücken zum Publikum.
Ein großer Redner wird er eh nicht, die längste
Konzertansage des Abends lautete wohl "Danke für die
Unterstützung, i love you, prost und bei einem Zwischenruf aus dem
Publikum kommt schon mal ein lautes Shut Up Peace zurück.
Das soll jetzt wirklich nicht negativ klingen , ganz im Gegenteil.
Beide sind wirklich ein spannendes Duo und bieten eine perfekte Show.
Wie auch die großartige Band , allen voran wenn 2 Trommler im
Einsatz sind und die Musiker wie wild auf die Drumsets einschlagen. Und
dann die Songauswahl , die ist wirklich vom feinsten und ein kleines
Best of seiner Karriere und ein neugierig machen auf Bleach House,
nicht nur für Boa Fans ein Album in das es sich reinhören
lohnt. Und so gibt es nach Annie Flies A Lovebomber mit The One who
howls at the moon ein weiteres trauriges Liebeslied dem einer der
absoluten Boa Megaknaller Fine Art In Silver mit dieser
wunderschönen catchy Melodie folgt. I Dedicate my soul to you,
Bleach House, Container Love und natürlich This is Michael , als
Boa eben jenen zu Beginn im Publikum sucht sind Highlight vieler
Highlights denen Boa im Zugabeteil u. a noch das zum dahinschmelzen
schöne And then she kissed her und im zweiten Zugabeblock u.a.
Kill your Ideas folgen lässt. Und selbst der erste Boa Song Diana
findet sich in der Setlist wieder.
Bleibt eigentlich nur noch zu erwähnen , dass sich Phillip Boa auf
seinen Voodooclub verlassen kann. Der steht an diesem Tag vor ihm und
so kann er oft genug an diesem Konzertabend sein Mikrofon umdrehen und
das gutgefüllte Auditorium im Hirsch macht beeindruckend weiter.
Schon allein deswegen wäre es klasse gewesen , das ganze Konzert
als Live Stream mit nach Hause nehmen zu können. Ein Boa in
Bestform, eine fast etwas zu zurückhaltend abgemischte Pris, eine
furiose Band und dann dieses Publikum hätten eine tolle Live
Scheibe ergeben.
Und genauso schnell wie er die Bühne betreten hat, war der
Unnahbare dann auch wieder verschwunden , Autogramme für die Fans
gabs leider keine.
Shut UP! Peace!
Noch nicht ganz, der Bericht darf nicht enden um nicht wenigstens noch
ein paar Worte über den Support an diesem Abend zu verlieren. Tess
Wiley eine in Deutschland lebende und aus dem sonnigen Texas stammende
Amerikanerin, die der Liebe wegen ihre Musikkariere in Amerika für
einen Neuanfang in Deutschland aufgegeben hat. Stand sie einst mit
Sixpence non the Richer (richtig die mit dem Welthit Kiss me) auf der
Bühne galt es nun als Solokünstlerin in Deutschland neu
anzufangen und das , eh schon schwierig, ist für eine in
Deutschland lebende Amerikanerin sicher eine noch größere
Herausforderung. Rainy Day Assembly, Not Quiet Me, Superfast
Rock`n`Roll played Show und Little Secrets heißen ihre Scheiben ,
die es alle natürlich auch auf Amazon zu kaufen gibt. Und die
nicht so reduziert wirken, wie die Songs an diesem Abend, die sie nur
allein mal mit E-Gitarre , mal mit akustischer zum Besten gibt. Und das
im ersten Song fast ohne Licht, weil der Mann am Lichtpult ihr wohl
kein Scheinwerferlicht gönnen wollte. Mutig, mutig, auch weil Tess
Wiley Songs nichts mit Indie Rock zu tun haben und ein echtes
Kontrastprogramm zu Philip Boa sind. Aber auch wenn sie damit nicht
jeden Boa Fan im Publikum erreichte, gibt es nichts schöneres als
einmal quer zu hören und auch andere Musikstile und Künstler
zu entdecken. Tess Wiley zu entdecken lohnt sich allemal und so ganz
nebenbei lernt man noch eine extrem liebenswerte stolze Mama zweier
Kinder kennen. Und nun aber endgültig Shut up - Peace ,
lassen wir die Bilder sprechen.
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