Es wäre wirklich fahrlässig über das Konzert der Band
Laibach, dem musikalischen Ableger der „Neue Slowenische Kunst (NSK)“ zu
schreiben, ohne zuvor ein paar Worte über eine der skandalträchtigsten Bands
überhaupt, zu verlieren.
Sich mit der Biographie der 1980 im jugoslawischen Trbovlje gegründeten Band zu
beschäftigen ist eine spannende Sache. Vom Suizid des ersten Sängers nach einem
Konzert, dem gewaltsamen Abbruch eines Konzertes 1983, nachdem man den
verstorbenen Staatspräsidenten Tito und einen Penis gleichzeitig auf die
Leinwand projizierte, Auftrittsverbote in Jugoslawien nach einem Fernsehauftritt
in Uniformen und Armbinden und ein anonymes Konzert trotz Verbotes in
Ljubiljana, nicht gerade der einfache Weg eines Bandstartes. Konzerte unter dem
Titel "Die erste Bombardierung-Laibach über dem Deutschland“ machten es
auch nicht gerade einfach, das, was die Band eigentlich verkörpert, zu
verstehen. Sicher auch weil Laibach bis heute immer wieder für Überraschungen
gut sind, so wie man 1987 mit dem Album "Opus Dei" u.a. "One
Vision" von Queen oder "Live is Life" von Opus in Deutsch und
Englisch coverte, oder das komplette Album "Let it be" der Beatles
ohne das Titelstück, oder "Sympathy for the Devil " der Rolling
Stones.
Den Zusammenbruch des Ostblocks und Fall des Eisernen Vorhangs kommentierte
Laibach mit dem Album "Kapital" genauso auf seine eigene Weise, wie
1994 mit "NATO" die aktuellen Ereignisse in Osteuropa, wieder mittels
höchst hörenswerter Coverversionen. "Jesus Christ Superstar" 1996
erschienen, war der Beitrag Laibachs zum Thema Religion einschließlich
gleichnamigem Musical-Cover.
Auch die Klassik wurde "Ver-Lai-Bach-t" und Johann Sebastian Bachs
Kunst der Fuge neu interpretiert, genauso wie diverse Nationalhymnen 2006 auf
dem Album Volk. Natürlich auch die Deutsche, leicht zu erraten, dass man sich
dabei nicht an die "staatlich gewünschte Strophe" hielt.
2009 bekam dann Richard Wagner die volle Laibacher Kreativität zu spüren die
mit Symphonieorchester aus Tannhäuser, Siegfried und die Walküren musikalisch
einen Volkswagner machten.
2012 versuchte man sich dann zum Film Iron Sky als Filmkomponist um 2014 nicht
nur mit "Spectre" das wohl bisher spektakulärste Werk zu
veröffentlichen, das mit "Whistleblower" auch einen für Laibach
ziemlich untypischen absoluten Smashhit enthält. Einmal gehört, geht einem der
Song nicht mehr aus dem Ohr, einzig die konsequente Nichtbeachtung im Radio
sorgt dafür, dass der Song bis heute immer noch nicht aus dem Geheimtippstatus
herausgekommen ist. Kein Wunder bei der Thematik von Song und Album. Typisch
Laibach, Spectre ist ihr Statement zum Thema Kapitalismus, die Bespitzelung der
Menschheit durch die Politik, Whistleblowing u.a. Und da unsere Medien sich immer
mehr von der "Pressefreiheit" verabschieden passt eine Band wie
Laibach umso weniger ins Schema F.
Um das Ganze noch auf die Spitze zu treiben wurde durch Laibach die Partei
Spectre-Party gegründet und Parteibücher mit den Thesen der Partei
verkauft. Genauso wie man in der Vergangenheit schon eigene Reisepässe eines
fiktiven NSK-Staates ausstellte.
Gewaltige Schlagzeilen, und einmal mehr nicht nur positive, machte man auch
2015, als Laibach 2 Konzerte in der Nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang zum
Anlass des 70. Jahrestages des Endes der Japanischen Besatzung in Korea
gaben, als erste westliche Band in Nordkorea überhaupt. Erst als PR-Gag
belächelt, dann von den Medien kontrovers diskutiert, sang die Band vor 1500 (verschreckten)
Zuschauern im Ponghwa-Theater u.a. auch Neuinterpretationen nordkoreanischer
Volkslieder sowie Stücke aus dem Musical "The Sound of Music“, im
Laibach-Stil versteht sich.
Und warum das alles? Das kann man vielleicht am besten mit einem Zitat
von Slavoj Zizek beantworten "Laibach are not an answer- they are a big
questionmark"
Allen sei hier der Wikipedia Artikel zur Band wirklich sehr ans Herz gelegt,
der sich ausführlich mit dem musikalischen Stil und der Bandgeschichte befasst
und aus dem ich hier einige Stationen einer der politischsten Bands unserer
Zeit, wiedergegeben habe. Hier wird versucht dieses Fragezeichen zu
beantworten, ob man das aber wirklich kann ist eh fraglich, das können
eigentlich nur die Musiker selbst und die sind nicht gerade als besonders
redselig bekannt.
Man konnte also sehr gespannt sein, wie sich Laibach an diesem Abend in
Nürnberg präsentierten und die Spannung war fast greifbar, als die Band
pünktlich die Bühne betrat und mit dem Opernfragment „Olav Trygvason Poem“ und „Smart
Za Smrt“, „Now you will pay“ und „Eurovision“ den ersten Teil des Laibach
Konzertes begann. 4 Songs in knapp 45 Minuten, nicht nur das war ungewöhnlich,
das folgende Intermezzo, eine 15 Minütige Pause, musikalisch gesehen höchst
sinnvoll, waren es auch. Unterstützt wurde das Intermezzo, durch einen
10-Minuten Countdown, der nach 5 Minuten erneut startete. Es war wohl das
einzige Unperfekte an diesem Abend und vielleicht hat sich mancher gewundert
wie lange 10 Minuten sind, aber pünktlich auf die Sekunde ging es nach 15
Minuten mit „Do Re Mi“, „Edelweiß" und „Sound of Music“ weiter.
Selbstverständlich gab es auch „Whistleblowers“ zu hören, „Germania“ mit dem
Hinweis am Ende "No Sieg Heil bitte" den es zum Glück nicht bedurft
hätte und „Leben heißt Leben“.
Das Ganze ist ein Teil des nordkoreanischen Programms, Musik,
Synthielandschaften, zuckersüßer Pop vermischt mit Industrial und
Marschmusik und dargeboten von einer korrekt frisierten ausdrucklosen Operndiva
namens Mina Spiler deren großartige Stimme im scharfen Kontrast zu
"Horror-Sänger" Milan Fras steht der gerade der Gruft entsprungen
scheint und einen Gänsehaut-Wiedererkennungswert hat, wie kaum sonst jemand im
Musikbusiness. Das Ganze wird dann noch visuell höchst beeindruckend
unterstützt, schöne Heile Welt Bilder des „wunderschönen“ Nordkoreas mit
lachenden und fröhlichen Nordkoreanerinnen, Propaganda wie es kaum besser geht
und doch für Jeden als solche auch zu entlarven, selbst wenn man sich zuvor mit
dem Thema Laibach nie befasst hat und nur ein Konzert sehen und hören will. Und
abgerundet von einer Lichtshow, die mit Stroposkopblitzen und grellen
Verfolgungsscheinwerfern ihre Wirkung genauso wenig verfehlt, wie es die Bilder
auf der Leinwand tun. Manches wirkt nicht wirklich wohltuend auf das Publikum
ein, auch das ist natürlich bewusst gewollt. Sicher wie alles der perfekten
Inszenierung an diesem Tag.
Die komplette Inszenierung bleibt auf eine ganz eigene Art hängen, wie z.B. die
Textzeile "Europe is falling apart" aus dem Song Eurovision um nur
ein Beispiel zu nennen. "Falling-Apart - und zwar so schnell, dass unsere
Nachtwächterpolitiker inklusive „Mutti-Merkel“ das bis heute noch immer nicht
registriert haben oder wahrhaben wollen. Die Welt, die auf einen wirklich
guten Weg war, ist gerade dabei wieder um Jahrzehnte sich in die falsche
Richtung zurückzubewegen. Das Musik nicht nur zur Unterhaltung dienen kann
sondern auch aufs Gröbste missbraucht wird, z.B. um Menschen zu quälen bis zum
Tod oder sei es um Armeen in Bewegung zu setzen und zu motivieren, das wird
einen an diesem Abend durchaus bewusst. Ähnlich eindringlich kann man dies
übrigens auch beim neuen Mad Max- Film wahrnehmen, Heavy Metal auf dem Truck
soll als Stichwort wohl genügen.
Ein Bericht des Konzertes der Slowenen wäre nicht vollständig, würde man nicht
die Sangeskünste eines Boris Benko, seines Zeichens Sänger bei der Slowenischen
Band Silence, früher festes Laibach Mitglied und manchen auch durch seine
Kooperation mit Helium Vola bekannt, erwähnen.
Garniert wird die Laibach Show von einem auffällig aufmerksamen, oft
schweigenden Publikum mit hohem Männeranteil, das die Band mit minutenlangem
Applaus belohnten.
Das letzte Highlight hatte Laibach als zweite Zugabe dann noch im
Köcher, der
Trailer zum demnächst erscheinenden Dokumentarfilms über den
Nordkorea-Trip
macht neugierig und ungeduldig und rundet einen
außergewöhnlichen, höchst
unterhaltsamen aber auch sehr skurrilen Auftritt sehenswert ab, ohne
dass
wirklich alle Fragezeichen auch nur annähernd beantwortet werden
können. Sie
sind halt ein einziges großes Fragezeichen und werden es wohl
auch für immer
bleiben. Und das sollte sich auch niemand entgehen lassen und sich das
Gesamtkunstwerk Laibach einmal live gönnen. Großer Dank auch
an das Konzertbüro Franken, die den Tourauftakt der Band in
Nürnberg ermöglichten.