Die Unheilig-Seite incl. Mina Harker und Livingston
                                    Ihr lacht über mich, weil ich anders bin.

                                   Ich lache über euch, weil ihr alle gleich seid!

                                                           Kurt Cobain


LiLive in Coburg ,Schloßplatz am


Das Zitat von Kurt Cobain ist ganz bewußt gewählt. Als ich früher mit meinem Unheilig-Shirt

 rumlief war ich ein Exot, wer hört schon Unheilig? Allein der Name. Und heute?

Menschenmassen wohin man schaut.

 
Tja was soll man jetzt dazu sagen. Coburg hat ja schon viele tolle Künstler im Rahmen des

 HUK-Open-Airs erlebt. Sowas wie am Sonntag mit so vielen Leuten gabs bisher nur bei Whitney

 Houston. 15.000 mehr als doppelt soviel wie bei Joe Coker Tage vorher. Weder Nena , noch Neil

 Young,  noch Pink, Fanta 4, Adoro, Udo Jürgens oder Silbermond usw.,  soviel Zuschauerzuspruch

 gab es noch nie. Und wieviele Leute noch im Coburger

 Schloßpark, hinter den weißen Stoffwänden als Sichtschutz zugehört haben oder auf der gesperrten

 Straße vor dem Open-Air-Gelände weiß eh kein Mensch. Der Graf ist zum Massenphänomen

 geworden. Das ist ein bißchen wie Aschenputtel. Vom erfolgreichen Gothic-Act , ohne

 Radioeinsätze zum erfolgreichsten Deutschen Sänger mit Dauerrotation im Radio. Populärer als

 Grönemeyer, Westernhagen, Maffay und Pur. Deshalb gibt’s nächstes Jahr auch ein Konzert am

 Völkerschlachtdenkmal in Leipzig und auf dem Nürnberger Zeppelinfeld. Noch größer , noch mehr

 Leute. Noch mehr Massenveranstaltung. Das ist zwar auf der einen Seite verständlich und für den

 Künstler finanziell natürlich höchst lukrativ, aber es hat auch seine wehmütigen Seiten. Die intimen

 Konzerte mit Autogrammen und einen Plausch danach, die gibst nicht mehr. Die Shows , die von

 Konzert zu Konzert anders waren. Heute ist das ein starrer Ablauf. Die gleichen Geschichten, die

 gleichen Scherze , selbst die Publikumsreaktionen sind kalkuliert und gleich. Irgendjemand wird ihn

 immer zu sich einladen wollen. Egal wo. Schade, denn gerade er ist eigentlich jemand der auch sehr

 auf sein Publikum eingehen kann. Spontanität inzwischen aber Fehlanzeige . Coburg, Erfurt,

 Dresden austauschbar. Aber das ist wohl ab einer bestimmten Publikumsgröße einfach so.

Was man aber trotzdem ganz positiv hervorheben muss, der Graf ist immer noch der Graf und der

gibt alles auf der Bühne. Schweisstropfen ohne Ende, eine Krawatte die beim auswringen einen

Wasserfall absonderte, Schweisstropfen die nur so ins Publikum fliegen, wenn er am Bühnenrand

steht und sich bewegt. Kein Wunder, Auszeit, Knieschonung nach einer herausgesprungenen

Kniescheibe (in Dresden) von wegen. Der Graf rannte ständig seine Bühne auf und ab, wie wenn er

für die Olympiade im Sprint trainieren wollte. Deshalb standen Keyboarder Henning Verlage,

Trommler Martin Potthoff und Gitarrist Christoph Termühlen auch ganz weit hinten, nicht dass sie

vom rasenden Grafen niedergemacht werden. Und wer einmal sehen will, wenn Nosferatu tanzt,

bitte schön. Am Sonntag in Coburg war reichlich Gelegenheit dazu, fast 2 ½ Std faszinierte Unheilig

die Massen in Coburg, die ihn begeistert feierten. Zurecht. Genauso unangepasst, genauso wild,

genauso enthemmt und genauso leidenschaftlich wie zu Beginn seiner Karriere.  Einzig die farbigen

Kontaktlinsen fehlen. Was würde passieren wenn er die mal wieder tragen würde, würden dann auf

einmal farbige Linsen zum unverzichtbaren Modeaccessoire, wird irgendwann die Auflage von Zillo,

Sonic Seducer oder Orkus (alle Gothiczeitungen mit Berichten zum Grafen)  die des Focus

erreichen. Nicht auszudenken.

Das größte Negativum der Coburger Massenveranstaltung war aber die Bühne. Extrem hoch, so

hoch, dass man in der ersten Reihe die Bühne gar nicht einsehen konnte und der Videokameramann

einen Hocker brauchte, um vernünftige Bilder auf die 2 Leinwände zu produzieren. Und auch die

Fotografen hatten so ihre liebe Mühe. Ob das wirklich für die Leute weiter hinten etwas bringt wenn

die Bühne so erhöht ist sei dahingestellt. Für die vorderen Reihen und die müssen inzwischen

schon sehr früh anstehen um den Grafen vorne zu erleben war es auf alle Fälle nicht prickelnd. Und

dann gab es auf einmal auch noch einen dritten Eingang. Da der außerdem gleich hinter der Bühne

war und alle Eingänge gleichzeitig geöffnet wurden, hatten die ganzen Fans die geduldig an den

bekannten Eingängen warteten aufgrund des wesentlich längeren Weges zur Bühne einen echten

Nachteil, worüber sich einige zurecht sehr ärgerten.  

Sehr fair ist dagegen der Eintrittspreis, 37,50 Euro incl. VVK-Gebühr sind für ein Konzert mit 3

angekündigten und noch dazu qualitativ sehr hochwertigen Vorbands mehr als fair. Warum dann

"Das gezeichnete Ich" aber nicht auftraten und der Ansager (wer war das überhaupt) es nicht mal für

nötig fand, ein Wort darüber zu verlieren wieso nicht, würde ich in die Kategorie Publikum verarscht

abtun. Auch im Internet fand sich bis zum Abend kein Hinweis dazu, aber dafür ein falscher

Konzertablaufplan. 

Sowas geht eigentlich nicht und ich hab mich gerade auf "Das gezeichnete Ich" wirklich sehr gefreut.

Zu den Vorbands später noch mehr.

Ein großes Lob verdient der Graf für sein Unheiliges Kinderland und den Familienbereich. Dank der

Größe der Konzerte und den entsprechend großen Hallen bzw. Open-Air-Spielstätten geht das

inzwischen problemloser umzusetzen als früher. Auch wenn die Veranstalter da nicht gerade

begeistert sind (Zitat "Der Graf" warum, weshalb) , minimiert es doch den Gewinn. Aber das kann

man dem Grafen wirklich glauben "dass ihm die Menschen wichtig sind" und dass er sich über jeden

einzelnen Konzertbesucher freut. Wenn die Augen leuchten wenn er von oben auf die Massen an

Besuchern schaut, gerührt, erfreut fassungslos. Das ist trotz der vielen Konzerte in letzter Zeit und

des immer mehr wachsenden Publikums keine Routine für ihn und es wird glaub ich auch nie eine werden. 

Gerade in Coburg war der Familienbereich besonders Familienfreundlich und der laute Applaus,

der auf einmal zu vernehmen war , um den Grafen Danke dafür zu sagen, das war schon sehr

ergreifend und die verdiente Anerkennung für einen Musiker, der bis heute eins nie aus den Augen

verloren hat, sein Publikum, egal ob das 4 jährige Kind oder den 70 Jährigen, der übrigens auch

keinen Eintritt zahlen muss. Für sie gibt er alles, seinen letzten Schweisstropfen. Das war schon

immer so egal ob vor ein paar Hundert Menschen oder wie Sonntag vor 15000.

Warum Unheilig so erfolgreich sind liegt sicher vor allem an der großartige Begabung des Grafen

Gefühle in Worte zu packen und wunderschöne oder fetzige Melodien drumherumzupacken. Als

klassiches Beispiel kann man hier den neuen Song "Ein guter Weg" anführen. Bereits beim ersten

Mal hören will einen der Text nicht mehr aus dem Kopf gehen.  Die nächste totsichere Nr. 1.

"Es wird schon weiter gehen, auch wenn es sinnlos scheint

Es hat schon oft geholfen, wenn man zusammen weint."

Jeder kennt das Gefühl, jeder hat das schon selbst erlebt und das passiert so oft an diesem Abend, ein Déjà-vu mit seinen Gefühlen und seiner Vergangenheit. Kein Wunder dass die nette

Besucherin hinter mir nach ihrem traurigen Beziehungsende vor einigen Wochen gerade hier in Tränen ausbricht. Oder wenn halb Coburg bei "An Deiner Seite" , dem Lied für seinen verstorbenen

Freund geschrieben, Tränen in den Augen hat (wenn man die traurige Geschichte zum Lied kennt). Er übrigens früher auch und er hat wirklich beim Singen mit sich kämpfen müssen, inzwischen ist

das Lied zu singen und die dadurch entstehenden Gefühle natürlich schon Routine geworden, ich

bin trotzdem sicher, dass es ihn bis immer noch bewegt, auch wenn man ihm das heute nicht mehr so anmerkt wie früher.

Und seine Stimme die darf man natürlich auch nicht vergessen, sie hat halt etwas einzigartiges, extrem markantes und mit ihren hohen Wiedererkennungswert trifft sie mitten ins Herz ,

vorausgesetzt man lässt die Texte und Geühle an einen heran und das taten in Coburg viele der 15000 begeisterter Menschen.

Ganz positiv ist auch, dass er die lauten Töne nicht vergisst, da gehört der Sound einiger Lieder zum Beispiel Maschine die man damals, als Unheilig noch nicht bekannt waren unter Neue Deutsche Härte

 einzusortieren versucht hat genauso dazu, wie die ganz ruhigen Pianoklänge unterstützt von Henning am Klavier. Und sein Markenzeichen, die großen weißen Kerzen sind natürlich auch noch 

da. Was aber nicht da ist, das sind die ganz vielen schwarz gekleideten Grufties früherer Zeit. Sie 

sind inzwischen die Minderheit und lachen wie Kurt Cobain über das was da an Kommerz noch alles kommen möge oder weinen den alten Zeiten hinterher.

Und ob als Gipfel des Wahnsinns es auch noch einen Unheilig Golf geben muss, wie 

die Rolling Stones , Pink Floyd, und Bon Jovi einen hatten sei dahingestellt. Immerhin schwarz ist er, "back to the Roots" zumindest was die Farbe betrifft.

And One haben sehr schnell die Notbremse gezogen und als Vorband kapituliert, schade eigentlich.

Denn erstens machen sie klasse Musik und zweitens schadet es nichts, wenn die Leute einmal

 hören, was die schwarze Szene so an toller Musik noch zu bieten hat, nicht nur Unheilig. Und einen

Teil der Mainstream-Hörer zu verstören schadet auch nichts. Ich bin ständig verstört, wenn ich höre was die Schlager und Volksmusikbranche an Texten so raushaut  und musikalisch veröffentlicht.

Warum And One dann allerdings bei einem Brauereifest in Plauen auftreten und als Gipfel noch als Unheilig-Vorband beworben werden fragt man sich schon.

Immerhin hat man als Ersatz Mina Harker verpflichtet. Ich hab mich eh schon geärgert, als sie damals bei Blutengel in Nürnberg nicht als Vorband auftraten, wie bei vielen anderen

Blutengel-Konzerten der letzten Tour. Das Bild des Tages hab ich leider nicht fotografiert, das war

vor der Show als die "kleine Sängerin" auf einem rießigen menschenleeren Schloßplatz stand und

die gigantische Bühne fotografierte. Leider hatte ich den Foto da nicht bei mir. Stunden später

stand sie dann mit ihren Jungs darauf und heizte 15000 Leuten ein. Denen war bei strahlenden

Sonnenschein aber eh schon warm. Mit einer Mischung aus Deutschpop , etwas Darkwave , etwas

NDW, etwas Gothic. Fetzig, eingängig und gut, ein perfekter Support für Unheilig. Mehr als einmal

erinnerte sie mich auf der Bühe an die Panda Sängerin und famose Schauspielerin Anna Fischer.

Allerdings lang nicht so flippig und schon gar nicht in breitem Berlinerisch singend, sondern in Hochdeutsch. 

Der Name Mina Harker stammt denk ich aus dem Roman Dracula, Wilhelmina Murray ist Jonathan

Harkers Verlobte und auf sie müsste der Name Mina Harker zurückzuführen sein. Da man über die

Band aber im Internet sehr wenig findet und immer die Rede von den 2 Machern, Mina Harker und

Alexander Gorodezki ist, kann es tatsächlich sein, dass die Deutsch-Polin (?) wirklich so heißt, ich

kann es nur nicht so ganz glauben. 

Aber beim Grafen weiß man ja bis heute auch noch nicht wirklich wie er richtig heißt. Ob Wikipedia

mit Bernd Heinrich Graf recht hat, zweifelt man scheinbar ja schon selbst an. Immerhin die

Frankenpost hat es in einem großen Artikel zum Konzert auf Seite 3 abgedruckt. Aber zurück zu

Mina Harker , die neben Unheilig auch schon die Letzte Instanz suppportet haben. Und nun eben

Unheilig. Leider nur für 7 Songs.  Besonders auffällig agierte übrigens der 23 jährige

Drummer der Band Niklas Kahl aus  Hörden am Harz, der vor allem als Marionette bei einem Lied

ein echter Hingucker war. Danke übrigens nochmals für den Drumstick-coole Aktion.

Mina Harker sind jetzt seit knapp 6 Jahren aktiv, die zweite CD Bittersüß ist noch nicht lange im

Handel. Bittersüß ist auch ihre Musik und ich hoffe von Mina Harker bald mal etwas mehr zu hören.

Vorband Nummer zwei ist Livingston , eine im Jahre 2002 in London gegründete Band mit einem

Quotendeutschen , wie Gitarrist Jakob Nebel während des Konzerts der Menge erklärte. Ansonsten

ist das eher eine Multi-Kulti Truppe mit Sänger Beukes Willemse aus Südafrika, dem Schlagzeuger

Paolo Serafini aus Italien , Bassist Phil Magee aus England und Gitarrist Chris van Niekerk der

ebenfalls aus Südafrika stammt. Der Bandname stammt aus einem Buch, Jonathan Livingston

Seagull (in Deutsch die Möwe Jonathan) von Richard Bach.  Die einzige Gemeinsamkeit mit Mina

Harker, der Ursprung des Bandnamen stammt aus einem Buch. Ansonsten ist die Musik beider

   

Bands völlig unterschiedlich. Und Livingstone haben mit Gothic überhaupt nichts am Hut. Eine

wirklich interessante Band, besonders das in Suaheli gesungene Lied und die Trommeleinlage

fetzten. Aber zu Unheilig passte es einfach nicht. Auch wenn ich mir sicher bin, dass es viele der

15.000 ganz anders sehen.

Besonders die 2 gutgelaunten weiblichen Fans neben uns,  die die

ganzen Songs begeistert lautstark mitsingen konnten. Hören wird man von der Band sicher noch

einiges, nur nicht als Band der schwarzen Szene. Aber davon will das Management den Grafen

wohl inzwischen immer mehr abgrenzen.  Bilder mit meiner guten Kamera sind natürlich auch nicht

möglich, auch das lokale Fernsehen musste mit den Kameras draussen bleiben. Das verstößt ja

alles gegen Lizenzbestimmungen. Kommerz sei Dank.

Das ist übrigens nicht das Spiel "Schmeiss weg den Gitarristen" sondern zeigt , dass

Livingston bei Ihrem Auftritt eine Menge Spaß hatten. Sie haben die Chance in Deutschland

bekannter zu werden genauso wie Mina Harker genutzt.

zu werden