Haudegen
Lesung mit
Musik
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Music Hall Markneukirchen 09.10.2016
Auf Deutsch Songs zu
schreiben, die unter die Haut gehen, Gefühle transportieren und
Herzen erwärmen, ohne dabei allzu kitschig rüber zu kommen
ist eine echte Kunst. Meister darin sind ohne Frage die 2 Jungs von
Haudegen. Wenn man dann noch die Hintergründe eines Songs kennen
lernt, oder zum Leben der beiden eine Verbindung herstellen kann, umso
mehr. Dafür sorgen Hagen Stoll und Sven Gillert an diesem Abend in
der Markneukirchner Framus Music Hall, die sich auch für eine
Lesung mit Musik als perfekte Location erweist. Bevor es aber richtig
losgeht, kann jeder sehen, wo das ZDF „Wetten dass“- Sofa
abgeblieben ist - könnte man zumindest meinen. Das steht auf der
Bühne und die 2 Haudegen (im ursprünglichen Sinne des Wortes)
machen es sich mit ihrem Bandgitarristen bei einem Whisky-Cola aus der
Dose und einem Mineralwasser erst einmal bequem, um mit fettem Grinsen
das Publikum, ihr Publikum oder vielleicht besser ausgedrückt ihre
Familie zu mustern. Denn das, und das wird an diesem Abend
überdeutlich, ist ihnen wichtig. Das betonen Sie auch in der
Lesung als man auf das Thema große Plattenfirmen zu sprechen kam.
Sie haben keinen Bock auf ein „10000- Leute- Konzert“.
„Du erreichst die nicht mehr und wenn es schon einmal passieren
sollte, dann nur in der Gewissheit, dass man jeden persönlich
schon mal die Hand geschüttelt hat.“
Wie ernst sie das meinen, sieht man gleich nach der Lesung, als man
sich für wirklich alle Besucher Zeit nimmt, sich mit jedem der
will, fotografieren lässt und alles signiert was ihnen unter die
Nase gehalten wird. Von den von einer Buchhandlung angebotenen
Büchern, über Eintrittskarten, den leeren Getränkedosen
der beiden, bis zum Arm einer hübschen Konzertbesucherin.
Letzteres natürlich besonders gern. Und so schütteln sie
wieder viele Hände und bedanken sich bei jedem einzelnen fürs
Kommen. Und das wirklich von ganzem Herzen.
Damit endet ein sehr kurzweiliger Abend mit viel Gänsehautgarantie
und mit traurigen und lustigen Momenten aus dem Haudegen-Leben,
vorgelesen aus dem zweiten Buch der Beiden mit dem Titel:
„Zusammen sind wir weniger allein“. Nach dem von Hagen
Stoll veröffentlichten „So fühlt sich Leben an“
nun das erste gemeinsame literarische Werk. Und sie machen deutlich,
was ein Buch für sie bedeutet. „Ein Buch das kann man
riechen“ und dabei funkeln die Augen von Hagen Stoll.
Los geht die Lesung übrigens wie das Buch auch mit dem Vorwort und
dem Satz „Vielen Dank, dass du dieses Buch gekauft hast“.
Den würden sie gerne umändern in „kaufen wirst“
und nicht überraschend sind alle Exemplare zum Ende des Konzertes
restlos vergriffen und haben vorn und hinten nicht gelangt. Und sie
entschuldigen sich gleich, dass nicht alle Konzertbesucher einen
Sitzplatz bekommen haben. Aber mit einem so großen Andrang hatte
niemand gerechnet.
Und bevor die 2 „Kanten“, die etwas zu sagen haben mit
Svens Geburt beginnen, genehmigen sie sich einen Schluck und fordern
das Publikum auf, es sich auch gemütlich zu machen.
Und als sie ihre Lesung damit beginnen, dass die 16 Jahre ältere
Mutter von Sven den nicht beabsichtigten 12 Pfund schweren Wonneproppen
zur Welt bringt, ernten sie viele Lacher mit der Bemerkung, „da
sieht man was aus einem 6 Kilo Baby wird“. Es sollen noch viele
folgen, denn, ein großes Plus der Lesung, es wird nicht nur
gelesen. Immer wieder schweifen die 2 ab, erzählen aus dem Leben
und das macht den Abend erst so richtig vergnüglich. Und dann
folgt der erste Song, passend zum Kapitel im Buch mit dem Titel
„Großvater sagt“. Und da stellen sich zum ersten und
nicht zum letzten Mal die Nackenhaare auf, wenn die zwei Freunde
unplugged ihre unverkennbaren Stimmen erklingen lassen.
Sie erklären dem Publikum, wie es zu dem Namen Haudegen kam, als
man unter den Kosenamen auf Bandnamenssuche ging. Einer der Kosenamen
der Großväter, Steppke wäre da auch ein Thema gewesen,
aber ein 12 Pfünder kann nicht Steppke heißen, stellte Hagen
lächelnd fest, die Band Haudegen war geboren. Danach folgte ein
Sprung im Buch bis zu dem Kapitel als die ehemaligen Türsteher vor
7 Jahren einen Weg gefunden haben, ihrem Leben mit der Musik einen
neuen Sinn zu geben und sie begannen Musik zu schreiben und zu machen.
Und sie erzählen von Opfern die Musiker bringen müssen, wie
das ständige unterwegs sein, das keine Zeit für die Familie
haben, das mit Sack und Pack aus Dresden wegziehen, wobei man das Pack
in Dresden gelassen hat. Und sie untermalen das ganze wieder mit einem
Song „Am Abgrund“ ihre erste Single. Auf Myspace gepostet,
der Facebook Vorläufer, wie sie gleich als Erklärung
hinterherschieben, dachte man bei 1,5 Mio Klicks an einen Fehler im
System. Bei 250 Freunden bisher nicht verwunderlich und so forschte man
erstmals nach, wie das zu Stande kam, nachdem Myspace die Richtigkeit
bestätigte. Und so stellte sich heraus, dass besonders die
Fanforen der Onkels fleißig geteilt haben. „Alles hat ein
Ende nur die Onkels haben 2 oder 3 oder 4 scherzten sie daraufhin und
nahmen die Abschlusstouren von Bands wie den Scorpions und Unheilig
aufs Korn. Eine Option die sich die 2 nicht vorstellen können und
Hagen betonte, dass er sich immer vorstellen kann mit Sven, seinem
Bruder den er nie hatte, Mucke zu machen und noch mit 60 mit seinem
besten Freund auf der Bühne zu sitzen. Die Haudegen
Biographie ist auch die Geschichte des persönlichen Scheiterns,
die Trennung von Frau und Familie, eine Narbe die nie heilt, aber ein
Opfer das man bringen musste. Und auch wenn sich inzwischen alles ins
Positive gewandelt hat, man muss mit den Tränen kämpfen, wenn
erzählt wird, wie der Papa zum kleinen Nachwuchs sagt ich geh
für immer, um danach heulend 30 Minuten im Auto zu sitzen. Es sind
die traurigsten Momente des Abends, es gibt aber auch viele lustige,
wie auch im Buch. So wie in Kapitel 24 als sie beschreiben wie sie das
erste Mal über den roten Teppich bei der Echoverleihung schreiten,
oder eher walzen, die 2 Straßenköder aus Marzahn mit den
vielen Tattoos. Denen die Plattenfirma geraten hatte, die Ketten,
damaliges Statussymbol aus der Gegend wo sie herkommen, abzulegen.
Heute tragen sie ja eher Bauchketten scherzten sie und erzählten
dem Publikum die Story vom drängelnden Hintermann, der versuchte
das Fleischgebirge Sven zu versetzen. Und was tut ein Junge von der
Straße, der schiebt den Drängler zurück, auch wenn der
sich als bleicher Imperator Marilyn Manson entpuppt. Nur mit Mühe
konnte man wohl die anschließende Rauferei mit den 2 schwarzen
Kolossen, die sich Haudegen daraufhin näherten verhindern. Nach
diesem Erlebnis ging der Spießrutenlauf aber richtig los,
berichteten sie gutgelaunt. Eine brüllende Fotografenschar, die
sich wie Zirkusaffen gebären, führte dazu, dass die Fotos der
beiden entsprechend aggressiv ausfielen, danach kam das Fernsehen und
es ging von einem Inferno ins andere.
Großen Jubel gab es als die 2 ein Familientreffen im Vogtland
ankündigten, alle Besucher würden sicher auch gerne zu einem
Haudegen Konzert wiederkommen, so begeistert wie das aufmerksame
Publikum den Song „Flügel und Schwert“ mitsang.
Wie das Buch endete auch die Lesung mit einem Nachwort, das beide zu
einer ganz wichtigen persönlichen Stellungnahme nutzten. Weil sie
(völlig richtig!) eine Verantwortung als Künstler sehen,
einen Mut und eine Einstellung die man sich von vielen Musikern
wünscht. Gerade ihnen, denen in ihrem Leben viel Hass
entgegengeschlagen ist, die wegen den Tattoos und ihrer Statur als
deutsche Wendekinder sehr schnell in die klassische Neonazischublade
gesteckt wurden, können bestens nachvollziehen was es heißt,
wenn Hass und Verachtung einen entgegengebracht wird. So wie den neu zu
uns gekommenen Flüchtlingen. Etwas das den beiden Haudegen richtig
Angst macht.
Und was passt da besser als mit dem Song „Zu Hause“ den
Abend zu beenden. „Der Weg war lang. Komm in meinem Arm Du
fühlst dich nach zuhause an“ singen sie und das Publikum
singt begeistert mit.
Als letzte Zugabe folgt dann der Song „Nackt fotografieren“
und beendet einen nachdenklich machenden, sehr unterhaltsamen und ganz
besonderen Haudegen Abend. Hagen Stoll und Sven Gillert sind auch im
Erfolg genauso bodenständig geblieben. Sie haben es geschafft und
man gönnt es den beiden Wonneproppen wie kaum einem anderen.
Hagen, bei dem im Nightliner alles akkurat aufgeräumt ist und Sven
bei dem immer eine Bombe einschlägt haben sich zum Glück als
wohl talentiertestes musikalisches Türsteherpaar auf der Welt
gefunden. Das Leben zweier Freunde niedergeschrieben in „Zusammen
sind wir weniger allein“ ist es wert entdeckt und gelesen zu
werden und jeder der die Möglichkeit hat, eine Haudegen-Lesung zu
besuchen sollte es unbedingt tun. Es lohnt sich. Man wünscht sich
mehr Gossenpoesie, wie sie ihre Musik bezeichnen, mehr Bands die so den
Mund aufmachen und immer wieder Gutes tun, ohne dass es groß
durch die Presse geht. So wie in Eisenach, wo man einen Eisenacher
Bäcker einfach einen Song schenkt, um ein Kinderhospitz zu
unterstützen. Oder wie in Jamel, wo man nach einem Brandanschlag
auf eine Konzertlocation eine Hilfsaktion startete um nur einmal 2
Beispiele zu nennen.
Abschließend noch ein Satz zur Framus Music Hall und dem Sound an
diesem Abend. Der hatte nämlich beste CD Qualität, vielleicht
sogar noch besser. Denn gerade im hinteren Teil der Halle konnte man
feststellen, dass die 2 an diesem Abend unplugged noch besser klingen
als auf jeder CD. Besser geht es nicht.
Die Bilder des Abends
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