|
Bardentreffen 2016
 Wenn wir uns überall einmischen wollen, wo himmelschreiendes Unrecht geschieht,
  dann riskieren wir den Dritten Weltkrieg.                    Helmut Schmidt


Nürnberg,   29-31.07.2016


Wie jedes Jahr war auch das diesjährige Bardentreffen ein Muss für jeden Musikliebhaber. Es wird so viel geboten, es gibt unzählige tolle Musiker/innen zu entdecken und eine ganze Stadt wird zur größten Open Air Bühne der Welt an diesem Tag. Allerorten wird musiziert und nicht selten sind es auch die vergleichsweise „kleinen“ Straßenkonzerte, die nicht nur massig Besucher anziehen, sondern auch zu den Highlights des Wochenendes werden. So wie bei El Mago Masin, der am Freitag und Sonntag seinen Stammplatz beim Cinecitta gefunden hat und dort den ganzen Abend eine große Menschenmenge bestens unterhielt. Wie gut sieht man allein daran, dass am Sonntag, als er sich etwas verspätete, der Platz schon gut gefüllt war und etwa 100 geduldig auf ihn warteten, als er noch gar nicht zu sehen war. Er ist einer der Gesichter des Bardentreffens und noch dazu einer, der jeden das Lächeln ins Gesicht zaubern kann. Großes Kino mit Lachgarantie auch vorm Cinecitta, 4 Stunden Programm non stop werden nicht langweilig. Man wünscht sich den Lokalmatatoren endlich auch einmal wenigstens eine Stunde auf dem Hauptmarkt, wenn 20000 „Wolfgang“ singen wäre das nur ein gerechter Lohn für einen der lustigsten Bardentreffenkünstler die man erleben kann.
Aber so wie ihn gibt es weitere großartige Straßenmusiker wie z.B. Nick und June, die den Reiz des Bardentreffens nochmals erhöhen und das Sahnehäubchen des Weltmusikfestivals darstellen.
Einen weiteren Reiz bietet das Festival, durch seine unglaubliche musikalische Bandbreite und dem jährlichen Thema. So hieß es diesmal „Sound of Islands“ und getreu dem Motto kamen die Künstler in diesem Jahr von den Färöer-Inseln, den Orkney Inseln, Gotland und Island ganz im Norden, über die Kapverden England, Sardinien, Formentera, Cuba, Zypern und Sardinien bis zu Madagaskar, La Reunion und Neuseeland ganz im Süden, Japan nicht zu vergessen. Und im Gegensatz zu einem Land wie Deutschland mit 229 Einwohnern pro km², lassen sich auch in einem Land mit gerade einmal 3 Einwohner pro km² großartige Musik und Musiker finden, wie auf Island.
Viele davon bekommt man normal in Deutschland sonst eher nicht zu Gesicht und egal welche Religion, welche Hautfarbe oder welche Sprache, das interessiert beim Bardentreffen niemand. Alle eint eine Gemeinsamkeit, die Liebe zur Musik und egal ob das Publikum oder die Musiker, schöner kann man nirgends sehen, was Globalisierung an Positivem mit sich bringt, wie schön es ist eine Welt ohne Grenzen zu haben und wie befruchtend es sein kann, andere Kulturen, andere Musik, anderes Essen, Trinken usw. zu erleben.
Dabei sahen die Vorzeichen in diesem Jahr aufgrund der Terrorgefahr nicht gut aus, es wurde sogar eine Absage erwogen. Keine leichte Entscheidung, man hat sich für die einzig richtige, die Durchführung entschieden. Und so wurden zwar die Sicherheitsmaßnahmen erhöht, die Securities und die Polizei machten einen großartigen Job, ohne dass dies das Festival in irgendeiner Weise negativ beeinflusste. Besser geht’s nicht, trotzdem war die Terrorangst irgendwie schon präsent und sei es nur durch all jene die sich davon haben abhalten lassen, das Bardentreffen zu besuchen. So waren es schon merklich weniger Besucher, aber immer noch sehr viele die sich ein schönes Wochenende machten, das Bardentreffen selbst hatte an seinem Flair auf alle Fälle dadurch nichts verloren. Ganz im Gegenteil.
Genug der Vorrede schauen wir auch dieses Jahr auf das Musikprogramm, das verständlicher Weise bei inzwischen 12 offiziellen Veranstaltungsorten, verteilt über den Altstadtkern Nürnbergs problemlos gut erlaufbar, nur ein ganz kleinen Eindruck wiederspiegelt. Noch dazu, wenn es sich wie in diesem Jahr nur auf 3 Spielorte, Lorenzkirche, Insel Schütt und der Hauptbühne am Hauptmarkt beschränkt. Und dort wurde um 19.00 das Bardentreffen 2016 mit einem ganz besonderen Gast eröffnet.

Mo Kalamity and the Wizards


Mo Kalamity stammt von den Kapverden und ihre Liebe zur karibischen und afroamerikanischen Musik hat sie zum Glück auch durch ihren neuen Lebensmittelpunkt Frankreich nicht verloren. Die Frau hat den Reggae im Blut, entspannend und gechilled wird er präsentiert.  Trotzdem Musik mit Ecken und Kanten, da wird nicht von Bienchen und Blümchen gesungen. Frau Kalamity hat etwas zu sagen und hält sich auch mit politischen Botschaften nicht zurück. Hinzu kommt, dass der Eye-Catcher auf der Bühne mit den Wizards eine spielfreudige Band mitgebracht hat. Die und die Ausstrahlung der Schönheit am Mikrofon verfehlen ihre Wirkung nicht. Schnell kommt gute Laune im Publikum auf und eine entspannte Atmosphäre macht sich breit. Ein genialer Auftakt und einen besseren Beweis für den Spruch „Black is Beautiful“ kann man wohl auch kaum finden. Genauso entspannt wie sie sich auf der Bühne gibt, kann man sie danach dahinter erleben, ein großartiger Auftakt 2016 und eine tolle Musikerin, die man gerne öfters sehen würde.

Funny van Dannen


Maler, Autor, Liedermacher, die Talente eines Funny van Dannen sind weit gestreut. 8 Bücher gibt es inzwischen vom ihm, Titel wie „Der Tag als Rosi kam“ und „Neues von Gott“ lassen schon vermuten, dass es ähnlich wie in seinen Songs eher absurd zugeht. Wo es durchaus einmal melancholisch und romantisch werden kann, meist aber das witzig absurde, das satirisch überspitzte oder die Ironie die Oberhand behält. Die Wortschöpfung im Bardentreffen-Programmheft, die von melankomisch spricht, trifft es ganz gut.
Van Dannen verhalf auch den Toten Hosen zu einigen Hits, wie z.B. dem Song über den „FC Bayern“, „Schön sein“ und „Walkampf“ mit der legendären Liedzeile „Schieb den Wal zurück ins Meer.“ Daneben covern auch Künstler ganz gern mal einen Song von ihm, wie z.B. Udo Lindenberg. Damit ist er meist mehr im Gespräch, als mit seinen eigenen Songs und Alben, die in der Regel live einspielt werden, einfach mit akustischer Gitarre und Mundharmonika instrumentiert. Genauso wie an diesem Abend in Nürnberg. Auch da packt er die Mundharmonika aus, hatte seine Gitarre und einen kleinen Koffer dabei und ein paar Lied und Songtextblätter, den Notenständer und die Brille nicht zu vergessen. Das war es dann auch schon. Mutig ist der geborene Niederländer und Wahlberliner, sich unplugged vor die Massen am Hauptmarkt hinzustellen, wie wenn es ein kleines Clubkonzert wäre.
Und so legt er los mit seinen bisweilen extrem lustigen, manchmal aber auch ans Blöde grenzenden Songs, „er brauche ja schließlich das Geld“ wie er sagt und bohrt auch gleich einmal eine Wunde in die Herzen der Glubbbbb-Fans, als er auf das Thema Fußball zu sprechen kam. Nicht nur was das Thema Abstieg betrifft, auch das Geheimnis des Fußballs, nämlich „latente Homosexualität“ wird den Massen offenbart. Typisch Funny van Dannen, einschleimen ist nicht sein Ding.  Dafür aber den armen im Rollstuhl sitzenden Wolfgang Schäuble im Traum zu verprügeln, er hat es ja nicht besser verdient und so manch einer wird im an diesem Abend beigepflichtet haben. Er singt vom Nana Mouskouri Konzert, von den lästigen Fruchtfliegen, die jeder in der Küche verflucht und von lesbischen schwarzen Behinderten. Man erfährt, dass er ein „Nuttenauto“ fährt und dass er „einen (oder 2 oder mehrere) Arbeitsplätze vernichtet“ hat, der Schlingel.
„Humankapital“ bewegt ihn ebenso, wie er irgendwann sein Gehirn absaugen lassen wird um sich zu integrieren. Zuvor wird er aber Bayern München Fan, Grönemeyer gut finden und die Scheu verlieren, sich als Krone der Schöpfung sehen und nicht zu unterschätzen, Geiz geil finden. Es kann also dann doch etwas dauern mit dem Gehirnabsaugen. Gut so, so kann er dank Gehirn wenigstens weiterhin, z.B.  das Homebanking genauso gekonnt auf die Schippe nehmen, wie die Deutschen Tugenden in „Wir Deutschen“.
Und so lernt man, dass Funny van Dannen dank seiner Eurythmieschuhe mit dem Kosmos im Einklang ist, dass gestern die Depression zum Weltkulturerbe erklärt wurde, dass Anita ein Junge war, was ja durchaus vorkommen soll und nicht zu vergessen, als wirklich absolut wichtige Information, dass Frozen Jogurt kein Name für ein Kind ist. Das hätte er dann mal lieber den Menschen vorgesungen, die ihr Kind Emilie-Extra, Galaxina, Birkenfeld, Tom Tom, Frieden mit Gott allein durch Jesus Christus oder Borussia nennen oder nennen wollten, statt den zig-Tausend am Hauptmarkt. Da er außerdem gerne Tiere in seinen Songs personifiziert durfen Songs wie Okapiposter und Tapir genauso wenig im Programm fehlen wie der Über-Funny-Song Herzscheisse.
Genauso bewundernswert wie die Texte des „trockenen“ Holländers ist übrigens ein Herr ganz vorn im Publikum, der jeden Song problemlos mitsingen konnte. Leider nur er, denn das war der einzige Knackpunkt an diesem Abend, ein Funny van Dannen Konzert in kleiner Location vor Fans ist eine noch viel vergnüglichere Angelegenheit, als am Hauptmarkt vor einer Kulisse, die größtenteils den Holländer das erste Mal erlebten.
 

Iyeoka


Inzwischen geht es scharf auf die 49 Mio Menschen zu, die sich das Video  Simply Falling von Iyeoka Okoawo auf Youtube angeschaut haben. Damit ist die aus Nigeria stammende und nun in den USA lebende Sängerin ein echter Youtube Star. Dass sie ausgerechnet diesen Song, der einmal gehört, einen einfach nicht mehr aus dem Ohr geht, nicht ans Ende ihres Sets stellt, sondern ziemlich am Anfang, zeigt neben viel Selbstvertrauen, auch die Qualität der Songs, die Iyeoka so zu bieten hat. Denn die Dame ist alles, aber kein One Hit Wonder,  auch wenn Simply Falling ihren bisheriger musikalischen Geniestreich darstellt. Man verfällt dem Song genauso, wie thematisiert im Text der Liebe zu einem Menschen. Anmoderiert wird das dritte von 4 Kindern, von der großen Schwester, ihre Managerin. Die hat übrigens nach eigenem Bekunden kein musikalisches Talent, das hat alles Iyeoka geerbt.  Das kleine Schwesterherz schreibt und komponiert ihre Songs selbst und bewegt sich damit musikalisch im Bereich Funk, Rap, Soul, etwas Blues, Jazz und den guten alten Motown Sound. Hinzu kommt eine unwiderstehliche Bühnenpräsenz und eine großartige, wandlungsfähige Soulstimme die den Auftritt von Iyeoka Okoawo zu einem ganz besonderen Vergnügen und einem der Highlights des diesjährigen Bardentreffen machten.
So ist im Programmheft ein Zitat vom Kulturmagazin der ARD „ttt-titel, thesen, temperamente“ zu lesen, die Iyeoka so beschreibt: Sie hat eine Stimme so mächtig wie Nina Simone, ein Timbre wie Amy Winehouse, ein Gerechtigkeitssinn wie Tracey Chapman und eine eigene Poesie wie Bob Dylan“. Vielmehr muss man zur Ex-Vize-Weltmeisterin im Poetry Slam kaum sagen, so treffend ist das Zitat.  Was es aber nicht sagt und man unbedingt noch erwähnen sollte, ist das Iyeoka, auch wenn der Bühnenauftritt eine gewisse Divenhaftigkeit vermuten lässt, davon weit entfernt ist. Ganz im Gegenteil. Man schließt die 2 Okoawo-Damen sofort ins Herz, so arg, dass man sie nach dem Bardentreffen schon richtig vermisst und hofft bald Gelegenheit auf ein Wiedersehen zu bekommen, „Simply Fallen“ sozusagen.

Zweiraumsilke


Jahr für Jahr kann man auf der Bühne am Lorenzer Platz neue Bands entdecken, die einen nicht nur im Gedächtnis bleiben, sondern die man am liebsten sofort wieder live erleben möchte. So wie Zweiraumsilke, die als „neuer heißer Scheiß aus Erlangen" angekündigt wurden. In der Tat, versetzte das Musikkollektiv das Publikum geradezu in Verzückung. Wer immer noch glaubt, dass Deutsche keine Südamerikanischen Bläsersätze auf die Reihe bringen, der hätte sich mal die 12 Verrückten aus Erlangen anhören sollen. Optisch scheint man mit den alten Adidas Outfits ja die Zeit zurückdrehen zu wollen, musikalisch ist das ganze dafür ultramodern und lässt selbst den größten Bewegungsmuffel hefig hin und herzucken. Und das kleine weibliche Wesen am Mikrofon war ein Erlebnis für sich.
Wahrlich „heißer Scheiß" was Zweiraumsilke da ablieferte und eine beeindruckende Bewerbung für die Band der Zukunft. Gerne und schnell mehr davon.

 



wird fortgesetzt





Die Bildergalerien vom Bardentreffen 2016


wird nach und nach gefüllt

Mo Kalamity and the Wizards



Funny van Dannen



Iyeoka



Zweiraumsilke


























www.gruftimusik.de / www.konzertreport.de / www.konzertimpressionen.de