Nürnberg, Arena 19.11.2016
Der Mann ist
eine Legende, Jean-Michel Jarre, Franzose und Synthesizer-Gott,
weltweit bekannt, weltweit geliebt und bis heute mit einer großen
Fanbase auch in Deutschland. Über 80 Millionen Tonträger
gingen bisher über den Ladentisch, genauso bekannt wie viele
seiner CDs sind auch die eindrucksvoll visualisierten Megakonzerte.
Schon 1979 brachte ihn das Konzert auf der Place de la Concorde in
Paris über 1 Mio Besucher und einen Eintrag ins Guinness-Buch der
Rekorde. Weitere Beispiele: Houston, als mehr als 1,3 Mio.
Menschen das Spektakel verfolgten und die Skyline in die
spektakuläre Licht und Lasershow integriert wurde. Oder Lyon,
ebenfalls 1986 als er anlässlich des Papstbesuchs in seiner
Heimatstadt Lyon nach dem Segen des Papstes auftrat und 800.000 aus dem
Staunen nicht heraus kamen. 1990 vor geschätzten 2.5 Mio. Menschen
wurde Paris durch ihn lahmgelegt, 1997 dann Moskau, als geschätzte
3.5 Mio seine Show feierten.
Und an diesem Abend nach langer langer Livepause
dann Nürnberg, natürlich nicht vor solch imposanten
Zuschauerzahlen. So wurde die Arena auch nicht in ihrer Gänze
genutzt, geschickt hat man sie etwas verkleinert. Es waren also keine
10000 gekommen, trotzdem war der Zuschauerzuspruch aber immer noch
beträchtlich und verglichen mit den oben erwähnten
Megakonzerten spielte Jean-Michel Jarre an diesem Abend eher ein
Wohnzimmerkonzert. Eines das es in sich hatte, das noch lange in der
Erinnerung der Konzertbesucher haften bleiben wird und eine
großartige Werbung dafür war, wie Musik am schönsten zu
genießen ist: live vor Publikum. Sicher ein Grund, dass es nicht
gelang die komplette Arena zu füllen, waren neben der schon
besagten sehr langen Livepause von einigen Jahren, die ziemlich
hohen Eintrittspreise, viel fragwürdiger finde ich allerdings die
Merchandise- Preisvorstellungen, 35 Euro für ein T-Shirt zu nehmen
sind frech, trotzdem fanden auch die noch Abnehmer.
Großes Lob an Glüxxkind Events und
Promotion, die den Mut hatten solch einen Ausnahmekünstler nach
Nürnberg zu holen, auch weil es gerade die letzte Zeit deutlich
ruhiger um ihn geworden ist. Nicht dass er untätig gewesen
wäre, auf Wikipedia wird sein Leben übrigens ausführlich
nachgezeichnet, er war nur nicht so präsent wie früher. Das
kann sich übrigens ziemlich bald ändern, wenn zum
40-jährigen Jubiläum seiner Megascheibe Oxygene nun Teil 3
mit
den Stücken Oxygene Part 14 bis 20 unsere Ohren erfreut. Man geht
als Veranstalter bei solchen Events ein nicht unerhebliches Risiko ein,
hoffentlich wurden die Zirndorfer für ihren Mut auch finanziell
belohnt.
Zurück zum Konzert, das bereits 45 Minuten
vor dem Start mit einem DJ-Set als Aufwärmprogramm startete. Schon
hier konnte man erahnen welches visuelle und soundtechnische Spektakel
einen erwarten würde, allein der Sound in der zu diesem Zeitpunkt
in blau gehaltenen und von Strahlern beleuchteten Arena faszinierte.
Was dann allerdings losbrach war allererste Sahne,
eine Liveshow die man gesehen haben muss. Der Sound, die Bilder, die
LED-Lichtwände, die Laser, einfach die komplette Lichtshow, die
ständig neue Lichteffekte Farben und Muster schuf, es war ein
visuelles Spektakel vom Feinsten, ein Rausch der Sinne.
Und mitten drin der Godfather of Synthesizer, ein
68- jähriger, der eindrucksvoll bewies, dass das Alter nicht mehr
ist als eine Zahl auf einem Stück Papier. Voller Energie, voller
Lebensfreude und mit Spaß am Musizieren ließ der Franzose
die ganze DJ-Schar, gefeierte Multimillionäre mit riesigem
Fankreis, alt aussehen, ganz alt.
Nach den sich drehenden Würfeln und dem
Auftakt „The Heart of Noise" unter großem Jubel des
Publikums ließ es sich Jarre nicht nehmen von seinem Arbeitsplatz
an den Bühnenrand zu kommen und das Publikum zu begrüßen
und seiner Wertschätzung für ein Land, das ihn immer
unterstützt hat, Ausdruck zu verleihen. Treppe runter, danach
Treppe rauf, ein Weg den er mehrmals an diesem Tag ging, was so ganz
nebenbei viel von der Aura des Magischem und Unnahbaren nahm und ihn zu
einem durch und durch sympathischen Musiker werden ließ, was dem
Konzert zusätzlich richtig guttat. Und wenn man ihn dann erlebt,
wie er mit fast kindlicher Freude mit einer kleinen Handkamera sein
Publikum aufnahm, im Hintergrund Köpfe mit Handy vor den Augen
auftauchten, also quasi sein Blick ins Publikum während des
Konzertes, dann wird aus einem ganz besonderen hochkreativen
Künstler auch ein Mensch wie du und ich.
Basis des Konzerts sind die beiden Electronica
Alben und natürlich einige Klassiker, die man kräftig
entstaubt hat und die auch dank eines zweiten Tastenmanns und eines
Perkussionisten mindestens so modern klingen wie Stücke von Avicii, David
Guetta und wie sie alle heißen.
30 Künstler hat er auf seinem letzten Album
mit versammelt, einen, den man als Musiker gar nicht vermutet hat er an
diesem Abend (natürlich nur virtuell) mitgebracht.
„Exit“ heißt das Stück, dass nach
persönlichem Treffen zusammen mit Edward Snowden entstanden ist .
Edward Snowden, jemand an dem sich die Geister scheiden, Verräter
am amerikanischen Volk oder Volksheld? Jarre hat eine eindeutige
Meinung zu dem Thema. Für ihn ist er ein moderner Held und
so gibt er dem Feindbild der amerikanischen Politik auf
„Electronics 2: The Heart of Noise“ und an diesem Abend in
Nürnberg eine Bühne, gut wahrnehmbar und äußerst
eindringlich auf den riesigen Projektionsflächen. Und als er
wieder einmal die Treppen zum Bühnenrand hinunterschreitet
kündigt er seine musikalische Kooperation mit den Pet Shop Boys
an, der Song „Brick England“, neben „Exit“ mit
Snowden das einzige Mal, wo auch Stimmen in einem Song zu hören
sind , beginnt.
Spätestens da nahm das Konzert vollends Fahrt
auf, die Zuschauer sprangen auf, der Platz vor der Bühne
füllte sich und die Party begann. Möglich machte dies auch
eine äußerst zurückhaltend agierende Security, die die
Leute gewähren ließ. Anders als in anderen Hallen, wo man
verärgerte Kommentare zum Sicherheitsdienst lesen konnte, bewies
man in Nürnberg ein echtes Händchen für die Situation
und ermöglichte so eine unvergessliche Party. Und die wurde vom
Altmeister auf seinem Regiethron kräftig angeheizt. Immer wieder
forderte er das Publikum auf, sich von den Plätzen zu erheben, zu
tanzen, an der Musik Spaß zu haben und an seinem Tun, dass man
Dank der Minikamera an seinem Körper immer wieder gut live quasi
hautnah verfolgen konnte. Und das Publikum auch ganz oben auf den
Rängen, ließ sich nicht lange bitten.
Jean Michel Jarre, der Produzent,
Ausnahmekünstler, die Musiklegende und vielleicht einfach auch
ein Mensch wie Du und ich, inzwischen 68 Jahre jung und mit
einer schier unglaublichen Energie ausgestattet, zeigte allen an diesem
Abend wo der Hammer hängt. Vielleicht sogar der beste Jarre, den
es je gab. Einfach nur großartig.
Noch ein paar Handyimpressionen