„Ein Tag mit Prinzipien: Kopf aus,
Seele baumeln lassen und mit offenen Augen träumen.“ So wurde das Slow Down
Festival im Vorfeld beworben und das trifft es wirklich gut. Beides, also die
Seele baumeln lassen und mit offenen Augen bei toller Musik vor sich hin
träumen konnte man tatsächlich richtig gut. Ganz anders wie sonst in
Markneukirchen zählen diesmal die ruhigen Töne, sonst sind es ja leider fast
nur Metal-Events, die man in den 2 schönen Konzerthallen erleben kann.
Eigentlich war das Festival als Open Air geplant, die schlechten
Wetterprognosen kosteten sicher einige Besucher, auch wenn das Event
kurzfristig in die kleine Musikhalle verlegt wurde. Leider ohne es im
Vorfeld noch
entsprechend bekanntzugeben. So bleiben aber alle trocken und konnten
völlig entspannt,
selbst im Liegestuhl 8 Stunden Musik vom Feinsten genießen. Der
ganzem Veranstanltung tat das aber definitiv keinen Abbruch, ganz im
Gegegnteil.
Was das Line Up betrifft, hat Stefanie Zehmisch und Warwick echt ein glückliches Händchen
bewiesen, passten die Bands doch großartig zum Motto des Tages und die Musiker
verstanden sich auch untereinander prächtig, so dass die ganze Veranstaltung
wie ein großes Familientreffen wirkte.
Auch der Rahmen passte, neben dem schon fast süchtig machenden Metalnade, eine
Mischung aus Zitronenlimo mit leckerem Met gab es Korean Beef, ebenfalls extrem
lecker, um nur mal 2 der vielen Gaumenfreuden zu erwähnen.
Der Rahmen, bis auf das Wetter, passte also perfekt, einzig deutlich mehr
Zuschauer hätte die Veranstaltung verdient. Aber ein neues Festival zu
etablieren kostet etwas Geduld, noch dazu, wenn man bisher so stark rein im
Metal unterwegs war.
Carolin Greiner
Nun aber zum Musikprogramm und der ersten Künstlerin des Tages Carolin Greiner.
Die Leipzigerin singt über die kleinen und großen Merkwürdigkeiten des
täglichen Lebens und dies mit Gitarre, Ukulele oder selbst am Klavier begleitend
in Deutsch und Englisch. Der Singer-Songwriter Pop erfordert ein ruhiges
Publikum, was an diesem Tag übrigens bei allen Künstlern vorbildlich anwesend
war. Da wurde nicht ständig gequatscht, sondern jeder Auftritt aufmerksam
verfolgt. Besser geht es nicht. Entsprechend viel Spaß hatte Carolin Greiner
bei ihrem Auftritt der prächtig ankam und als starker Auftakt Lust auf mehr
machte.
Wait for June
Und den bekam das Publikum beim Auftritt von Wait for June gleich zur Genüge.
Erst ganz kurzfristig waren sie als Ersatz ins Line Up gerutscht, ein absoluter
Glücksfall für das Festival. Wait for June waren kein Ersatz, sondern ein
Mega-Gewinn an diesem Tag. Es ist wirklich der perfekte Soundtrack zur
Wartezeit auf einen langanhaltenden Sommer, wie sie so schön über sich selber
schreiben. Da man eigentlich in Deutschland ja ständig darauf hofft, gerade
auch im eiskalten Winter, so ist die Musik der Band ein Ganzjahreshörerlebnis
mit Guter Laune Garantie. Mit Jule Jochem und Manuel Sohn hat man dazu gleich 2
überzeugend gute Stimmen, die mit viel Charisma ausgestattet sind, zu bieten.
Und gerade die Dame der Band bleibt extrem im Gedächtnis haften und im Gehör
kleben.
Ähnlich wie die danach folgenden Nick and June hat man mit Glockenspiel, Banjo,
Melodica und Ukulele gleiche Instrumente am Start, klingt trotzdem deutlich
anders und passt trotzdem so wunderbar zusammen. Die 2 Bands hintereinander
waren ein ganz besonderer musikalischer Genuss. Wer sich selbst ein Bild machen
will, der kann hier 2 Songs kostenlos downloaden, die so
richtig Lust auf das Album Transition machen. Die Entdeckung des Festivals
schlechthin und eine Band von der man noch viel Positives hören wird, wenn man
es schafft so zusammenzubleiben.
Nick and June
Wie die Faust aufs Auge passt der Bandname von Wait for June auf die Situation
von Nick and June in den letzten Wochen, die auch diesmal ohne June auskommen
mussten.
Leider wohl für immer. Das ist auf der einen Seite wirklich jammerschade und
wäre eigentlich der Tod des aus meiner Sicht besten Folkpop-Duos das
Deutschland zu bieten hat, wenn man nicht schon fast zufällig in der Bassistin
Suzie Lou solch einen mega tollen Ersatz, quasi in den eigenen Reihen,
gefunden hätte. Die auf der Bühne sehr introvertiert wirkende Sängerin ist
wirklich ein Glücksfall für den Songwriter und die männliche Stimme des Duos
Nick Wolf und mit ihrer Introvertiertheit gibt sie den dunkel melancholischen,
dann wieder überraschend fröhlich und unbeschwerten Folk-Pop Songs ihre ganz
eigene Note. War ich schon beim Auftritt in Erlangen sehr angetan von ihr, so
hat sie es seitdem geschafft, sich noch weiter zu steigern und spätestens, wenn
sie unplugged im Publikum stehend eine herzergreifende Version des Dirty
Dancing Hits „Be my Baby“ hinlegt, hat man die stylische Sängerin ins Herz
geschlossen.
Das tolle an Nick and June ist auch, dass man egal ob zu zweit, oder wie in
Markneukirchen zu dritt mit zusätzlichem Schlagzeuger oder zu viert in voller
Besetzung auftreten kann, jedes Mal entfaltet sich die Schönheit der Songs
anders und jedes Mal bieten sie eine eigene klangliche Faszination. Keine
Überraschung, aber Nick and June waren auch in Markneukirchen trotz wirklich
ganz starker Konkurrenz der Höhepunkt des Tages. Auch mit Suzie als weibliche
Stimme Deutschlands bestes Folkpop-Duo mit mega Potential für die Zukunft.
Neo and Neo
Die
Schweizer Indie-Folkband sind in Deutschland noch ein recht unbeschriebenes
Blatt. Das kann sich allerdings mit solchen sympathischen Auftritten, wie in
Markneukirchen aber sehr schnell ändern. Urlaubsbedingt ist man beim Slow Down Festival
zu zweit aufgetreten, normal besteht die Band aus 4 Musikern. Doch auch zu
zweit konnte man gut aufzeigen, was die Band so reizvoll macht. Mit abwechslungsreichen
Songs, mal soulig, mal folkig, mal fetzig stampfend schaffen es die 2 das
Publikum bestens zu unterhalten, wobei sich dabei der hübsche Schweizer Dialekt
und die von den Schweizern bekannt „sehr dynamische Art“ nicht als Fehler
erweist.
Es ist echt
eine Frage der Zeit, bis auch in Deutschland das 2016 entstandene Debütalbum „Before
the Birds start to sing“ von den Indie-Folkfans entdeckt wird, Neo und Neo sind
es definitiv wert.
Hannah Epperson
Die Frau aus Kanada ist die
Meisterin der Loop-Maschine. Mit verstärkter Gitarre, und ihrer relativ hohen
Stimme bastelt sie mit Hilfe der Loops und den Effektpedalen ihre ganz eigene
musikalische Welt. Extrem eigen, extrem eigenständig und extrem anspruchsvoll.
Das ist keine Musik zum nebenher hören und man staunt, was man einer Geige so
alles durch klopfen, streicheln, kratzen und zupfen entlocken kann. Sie ist ihr
eigenes kleines Kammerorchester und versinkt auf der Bühne völlig in ihre
musikalische Welt. Das Publikum verfolgt gefesselt den Vortrag, es ist
bisweilen so ruhig, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören. Im September
ist die Kanadierin wieder in Deutschland unterwegs, wer also einmal eine Geige
völlig anders erleben will, sollte sich die Künstlerin einmal selbst angucken.
Gregor McEwan
Es gibt
Künstler, die schließt man sofort in sein Herz. Dazu zählt Gregor Mc Ewan, ein
deutscher Singer-Songwriter, der in Haltern am See geboren wurde. Beim Publikum
hat er sofort gewonnen, als er seine Gitarre packt, die Bühne verlässt und sich
direkt vor sein Publikum hinsetzt, um unplugged einen Song zum Besten zu geben.
Es sollte nicht der einzige Unplugged-Song und Besuch beim Publikum an diesem
Abend bleiben. Auf der Bühne zurückgekehrt, singt er mit Hilfe von einem
Effektmikrofon seine Songs über das Leben und die Liebe. Er ist ein
musikalischer Geschichtenerzähler der es perfekt versteht sein Publikum zu
fesseln und dabei die komplette Palette an Gefühlen abzurufen. Egal ob traurig,
melancholisch oder fröhlich, seine Geschichten gehen ins Ohr und bleiben da
haften. Und die Zeit die vergeht wie im Flug. Viel zu schnell ist der Spaß
schon vorbei, wie ein gutes Glas Rotwein, das viel zu schnell leer geworden ist
und das man blöderweise an diesem Abend nicht einfach nachschenken kann. Da Mr.
Mc Ewan aber gerade fleißig am neuen Werk, seine dann dritte CD bastelt,
besteht zumindest die berechtigte Hoffnung, dass man ihn bald wieder auf den
Bühnen Deutschlands erleben kann. Ein Pflichttermin für alle die
Singer-Songwriter schätzen.
Lina Maly
Es ist spät geworden, kurz vor Mitternacht und Lina Maly hat die Ehre das
musikalisch extrem beeindruckende Line-Up mit ihrem Vortrag abzurunden. Und das
fällt der jungen Musikerin aus der Nähe von Hamburg nicht schwer. Ihre Debüt-CD
"Nur zu Besuch" war auch charttechnisch mit Platz 34 für einen
Neuling ein beachtlicher Erfolg.
Auch als ganz junge Frau hat man natürlich Sorgen, die verpackt sie in ihre
Lieder, thematisiert den Schönheitswahn unserer Zeit, kritisiert zurecht, dass
sich die Welt inzwischen in viel zu schneller Geschwindigkeit weiterdreht
und der Mensch dem Informationsfluss der heutigen Zeit fast hilflos
ausgeliefert ist. Es sind nicht die wirklich fröhlichen Themen die Lina Maly
und ihre bestens eingespielte Band präsentieren. Da herrscht schon mal
Schwermut vor, trotzdem versteht es die Künstlerin extrem gut, nicht ganz ins
Dunkle abzudriften.
So gut, dass selbst Ina Müller schon ein Auge auf das junge Talent geworfen hat
und sie bei "Inas Nacht" einem breiten Publikum vorgestellt hat. Eine
ganz besondere Auszeichnung für die immer authentisch wirkende Sängerin, die
trotz kleiner Kulisse sichtbar Spaß hat, den Besuchern ihre Musik zu
präsentieren.
Es war ein höchst gelungener musikalischer Ausklang des Festivals, das
hoffentlich bei deutlich größerer Kulisse auch 2018 stattfinden wird.
Markneukirchen kann sich wirklich glücklich schätzen, wenn das "Slow
Down" einen festen Platz im jährlichen Musikprogramm der Region bekommt.
Musikalisch den Abend zu toppen, wird aber extrem schwer, zu überzeugend waren
alle Teilnehmer an diesem Tag.