Jennifer Rostock 2016
Wie groß das Herz eines Menschen ist, können wir daran
erkennen, wie er mit Tieren umgeht




Nürnberg, Löwensaal , 04.02.2017



Wer so ziemlich am ganzen Körper tätowiert ist der polarisiert. Selbst als Mann. Als Frau umso mehr, Gleichberechtigung lässt grüßen. Wenn man dann auch noch, wie Jennifer Weist seinen wahrlich hübschen Body schon gerne mal oben ohne ganz ohne Scheu präsentiert, dann schafft man es selbst beim Springer-Verlag ordentlich „im Bild“ zu sein. So wie z.B. nach dem österreichischen Nova Rock, wo sich Frau Weist mit freiem Oberkörper präsentierte und man dies mit der Überschrift, da ist sie nicht tätowiert kommentierte. Die Brüste medizinisch von A nach C vergrößert sind natürlich auch in diesem Zusammenhang ein beliebtes Thema. Wenn man seinen Körper liebt und kein Problem damit hat ihn herzuzeigen, damit auch noch eine Botschaft verbindet, nämlich der jungen Generation Mut zu machen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen und über den Körper selbst zu bestimmen, dann schafft man weitere Angriffsflächen. Deutschland und die Gleichberechtigung, ein unerschöpfliches Thema und Jennifer Rostock ist ein perfekter Spiegel dafür, wie es um diese auch in Deutschland bestellt ist.

Gleich vorweg, beim Konzert von Jennifer Rostock im schon lange zuvor ausverkauften Löwensaal gab es keine nackten Brüste zu sehen. Auch nicht mit einer versprochenen Schnappsbelohnung im Publikum. Darauf wurde verzichtet. Aber auch ohne blanke Brust brachte sie und ihre Band die Botschaft an den Mann und vor allem an die Frau. Denn der Anteil gerade auch an jüngeren Frauen war exorbitant hoch.

Immer wieder tat sie das verbal, wie z.B. mit dem Hinweis, wenn ihr mal Bock drauf habt einen Ausschnitt bis zum Bauchnabel anzuziehen, dann tut es. Oder musikalisch so wie im Song „Hengstin“ zum Thema Feminismus. Er durfte als ganz starkes Ausrufezeichen ganz am Ende des Konzerts nicht fehlen. Allerdings wurde er im Gegensatz zum Video nicht splitternackt präsentiert. Aber auch so verfehlte der Songtext sicher nicht seine Wirkung. 

Die Frau, die kein Blatt vor den Mund nimmt, ist immer für einen Shitstorm gut. Egal aus welcher Richtung.

Sei es mit dem Song „Wähl die AFD“, ein Anti AFD-Song der u.a. so kranke Reaktionen wie „Wegen Schlampen wie Dir wähl ich AFD“ auslöste. Wenn das dann noch als Brief an die Privatadresse geschieht ist das umso trauriger, genauso wie der brutale Überfall in Berlin der ihren Freud 2015 fast das Leben gekostet hätte.

Mundtot hat sich Jennifer Weist dadurch zum Glück nicht machen lassen. Weiterhin legt sie egal ob verbal oder mit ihren Liedern die Finger in die Wunden unserer Gesellschaft. Sie engagiert sich sozial und kämpft für Schwächere, für Tierschutz für alles was es ihr wert erscheint dafür zu kämpfen. Die Musikkarriere und das Leben macht es sicher nicht einfacher, schön, dass es solche Menschen trotzdem gibt. Und wer das Ganze als gezielte Promotion abtut, der sollte mal das Denken anfangen.

Somit dient Jennifer Weist ohne Frage in vielerlei Hinsicht als Vorbild, als kleine Schnapsdrossel dann aber eher weniger. Denn gleich nach dem ganz starken Konzertauftakt „Kaleidoskope“ gab es die erste Schnapsrunde für sie und Band. Die zweite dann für einen der Backliner, nachdem der angestammte wegen einer Babypause nicht mit auf Tour war.

Einen der stärksten Momente hatte Jennifer Rostock an diesem Tag, als die Sängerin erstmals auf der kleinen, B-Bühne genannt, auftauchte und somit die letzten Reihen zu den ersten wurden. 2 Unplugged Songs präsentierte sie darauf und besonders der zweite Song „Jenga“ erwies sich nicht nur textlich als Highlight. Er zeigte auch eindrucksvoll wie wandlungsfähig die Dame am Mikrofon ist. Etwas an Steffi Kloß von Silbermond erinnernd, hatte der Song Gänsehautqualitäten und machte so richtig Lust auf ein „MTV Unplugged“ mit Jennifer Rostock. Verdient hätte sie es allemal, auch weil die Songs aufgrund der Texte auch ein weit breiteres Publikum verdient hätten, ein Publikum, dass sonst um Jennifer Rostock eher einen Bogen macht.

Texte wie z.B. der Song „Dispo“, den man als krassen Gegensatz auf die ruhigsten Konzertminuten folgen ließ, Zitat: „Du fährst ohne Rücksicht, zeigst der Welt Dein Rücklicht. Meinst Du machst Dein Glück aber macht Dich das glücklich“ singt sie in einem Song der heftigeren Art. Es zeigt die Wandlungsfähigkeit einer Band deren Repertoire von Rock bis Pop, von Rap bis Punk und von Elektronik bis zu typischen NDW-Sound alles drauf hat, ein musikalischer Gemischtwarenladen, der auch aufgrund einer extrem geschickt zusammengestellten Setlist unfassbar viel Spaß an diesem Abend macht. Und selbst als Nicht-Jennifer Rostock-Fan ist man „on fire“, wie sie den toll mitgehenden Nürnberger Publikum zufrieden attestiert.

Egal ob Dick oder Dünn, egal wo du herkommst, egal ob homo oder hetero, lasst Euch nicht erzählen, dass ihr hier nicht reinpasst. Jeder ist individuell, lasst uns bunt sein" spricht sie und hat mit Schmerz und Kehle" gleich den passenden Song dazu. Genauso wie zum Shitstorm der über sie hereingebrochen ist und über den sie belustigt und mit Ironie feststellte, dass man ihn zurecht kassiert hat.

Zwischendrin gibt’s neben einem Schnäpschen noch eine Regenbogenfahne schwingende Jennifer Weist und ein aufeinander zuspringendes Publikum nach ihrer Aufforderung zu bewundern und Songs wie Neider, Feuer, Deiche und als perfekt passenden Abschluss des regulären Sets „Wir waren hier“.

Mit Berliner Slang und dem Song „Nicht von hier“ startete der Zugabenblock gleich mit einem weiteren absoluten Highlight des Konzertes. Optisch hat sie sich inzwischen auch ihrer Franzen entledigt und wirkt im Bustier und Höschen wie ein tattooverzierter Aerobic-Traum. Äußerungen wie „Trump hat in seinen ersten Amtstagen soviel Bullshit verbrochen“ und „es zeigt wie gefährlich Rechtspopulismus ist“ und die Aufforderung an das Publikum geht wählen wollen da so gar nicht ins Aerobic-Bild passen, gut so.

„Hat die Alte das denn nötig, dass sie jeden Abend so auf die Bühne geht?“  waren ihre Worte mit denen sie den Shitstorm über sich kommentierte. Die Antwort darauf gab das Konzert eindeutig,

Es wäre nämlich zu schade, keinen Blick auf die vielen Tattoos werfen zu dürfen. Und so ganz nebenbei sendet sie damit eine weitere Botschaft und die ist genauso eindeutig wie vieles an diesem Abend. Vom perfekten Körper ist auch Frau Weist weit entfernt, aber wen juckt es? Darauf kommt es, auch wenn einem das immer wieder vorgegaugelt wird, wahrlich nicht an.

Eine Live-Granate ist „ die Alte" übrigens auch, Jennifer Rostock lohnt sich selbst für einen "NIcht-Rostock-Fan" definitiv. 



Die Bilder zum Konzert



Erst ein paar Impressionen















das gespannte Warten auf


Das Konzert



































































































































































































































www.gruftimusik.de / www.konzertreport.de / www.konzertimpressionen.de