Wer so
ziemlich am ganzen Körper tätowiert ist der polarisiert. Selbst als Mann. Als
Frau umso mehr, Gleichberechtigung lässt grüßen. Wenn man dann auch noch, wie
Jennifer Weist seinen wahrlich hübschen Body schon gerne mal oben ohne ganz
ohne Scheu präsentiert, dann schafft man es selbst beim Springer-Verlag ordentlich
„im Bild“ zu sein. So wie z.B. nach dem österreichischen Nova Rock, wo sich
Frau Weist mit freiem Oberkörper präsentierte und man dies mit der Überschrift,
da ist sie nicht tätowiert kommentierte. Die Brüste medizinisch von A nach
C vergrößert sind natürlich auch in diesem Zusammenhang ein beliebtes Thema.
Wenn man seinen Körper liebt und kein Problem damit hat ihn herzuzeigen, damit
auch noch eine Botschaft verbindet, nämlich der jungen Generation Mut zu
machen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen und über den Körper selbst zu
bestimmen, dann schafft man weitere Angriffsflächen. Deutschland und die
Gleichberechtigung, ein unerschöpfliches Thema und Jennifer Rostock
ist ein perfekter Spiegel dafür, wie es um diese auch in Deutschland
bestellt ist.
Gleich
vorweg, beim Konzert von Jennifer Rostock im schon lange zuvor
ausverkauften Löwensaal gab es keine nackten Brüste zu sehen.
Auch nicht mit einer versprochenen
Schnappsbelohnung im Publikum. Darauf wurde verzichtet. Aber auch ohne
blanke
Brust brachte sie und ihre Band die Botschaft an den Mann und vor allem
an die
Frau. Denn der Anteil gerade auch an jüngeren Frauen war
exorbitant hoch.
Immer wieder
tat sie das verbal, wie z.B. mit dem Hinweis, wenn ihr mal Bock drauf habt
einen Ausschnitt bis zum Bauchnabel anzuziehen, dann tut es. Oder musikalisch
so wie im Song „Hengstin“ zum Thema Feminismus. Er durfte als ganz starkes
Ausrufezeichen ganz am Ende des Konzerts nicht fehlen. Allerdings wurde
er im Gegensatz zum Video nicht splitternackt präsentiert. Aber auch so
verfehlte der Songtext sicher nicht seine Wirkung.
Die Frau,
die kein Blatt vor den Mund nimmt, ist immer für einen Shitstorm gut. Egal aus
welcher Richtung.
Sei es mit
dem Song „Wähl die AFD“, ein Anti AFD-Song der u.a. so kranke Reaktionen wie „Wegen
Schlampen wie Dir wähl ich AFD“ auslöste. Wenn das dann noch als Brief an
die Privatadresse geschieht ist das umso trauriger, genauso wie der brutale
Überfall in Berlin der ihren Freud 2015 fast das Leben gekostet hätte.
Mundtot hat
sich Jennifer Weist dadurch zum Glück nicht machen lassen. Weiterhin legt sie
egal ob verbal oder mit ihren Liedern die Finger in die Wunden unserer
Gesellschaft. Sie engagiert sich sozial und kämpft für Schwächere, für
Tierschutz für alles was es ihr wert erscheint dafür zu kämpfen. Die
Musikkarriere und das Leben macht es sicher nicht einfacher, schön, dass es
solche Menschen trotzdem gibt. Und wer das Ganze als gezielte Promotion abtut,
der sollte mal das Denken anfangen.
Somit dient
Jennifer Weist ohne Frage in vielerlei Hinsicht als Vorbild, als kleine
Schnapsdrossel dann aber eher weniger. Denn gleich nach dem ganz starken
Konzertauftakt „Kaleidoskope“ gab es die erste Schnapsrunde für sie und Band.
Die zweite dann für einen der Backliner, nachdem der angestammte wegen einer
Babypause nicht mit auf Tour war.
Einen der
stärksten Momente hatte Jennifer Rostock an diesem Tag, als die Sängerin
erstmals auf der kleinen, B-Bühne genannt, auftauchte und somit die letzten
Reihen zu den ersten wurden. 2 Unplugged Songs präsentierte sie darauf und
besonders der zweite Song „Jenga“ erwies sich nicht nur textlich als Highlight.
Er zeigte auch eindrucksvoll wie wandlungsfähig die Dame am Mikrofon ist. Etwas
an Steffi Kloß von Silbermond erinnernd, hatte der Song Gänsehautqualitäten und
machte so richtig Lust auf ein „MTV Unplugged“ mit Jennifer Rostock. Verdient
hätte sie es allemal, auch weil die Songs aufgrund der Texte auch ein weit breiteres
Publikum verdient hätten, ein Publikum, dass sonst um Jennifer Rostock eher
einen Bogen macht.
Texte wie z.B. der
Song „Dispo“, den man als krassen Gegensatz auf die ruhigsten Konzertminuten
folgen ließ, Zitat: „Du fährst ohne Rücksicht, zeigst der Welt Dein Rücklicht.
Meinst Du machst Dein Glück aber macht Dich das glücklich“ singt sie in einem
Song der heftigeren Art. Es zeigt die Wandlungsfähigkeit einer Band deren
Repertoire von Rock bis Pop, von Rap bis Punk und von Elektronik bis zu
typischen NDW-Sound alles drauf hat, ein musikalischer Gemischtwarenladen, der
auch aufgrund einer extrem geschickt zusammengestellten Setlist unfassbar viel
Spaß an diesem Abend macht. Und selbst als Nicht-Jennifer Rostock-Fan ist man
„on fire“, wie sie den toll mitgehenden Nürnberger Publikum zufrieden
attestiert.
„Egal ob Dick
oder Dünn, egal wo du herkommst, egal ob homo oder hetero, lasst Euch nicht
erzählen, dass ihr hier nicht reinpasst. Jeder ist individuell, lasst uns bunt
sein" spricht sie und hat mit „Schmerz und Kehle" gleich den passenden Song dazu.
Genauso wie zum Shitstorm der über sie hereingebrochen ist und über den sie
belustigt und mit Ironie feststellte, dass man ihn zurecht kassiert hat.
Zwischendrin
gibt’s neben einem Schnäpschen noch eine Regenbogenfahne schwingende Jennifer
Weist und ein aufeinander zuspringendes Publikum nach ihrer Aufforderung zu
bewundern und Songs wie Neider, Feuer, Deiche und als perfekt passenden
Abschluss des regulären Sets „Wir waren hier“.
Mit Berliner
Slang und dem Song „Nicht von hier“ startete der Zugabenblock gleich mit einem
weiteren absoluten Highlight des Konzertes. Optisch hat sie sich inzwischen
auch ihrer Franzen entledigt und wirkt im Bustier und Höschen wie ein tattooverzierter
Aerobic-Traum. Äußerungen wie „Trump hat in seinen ersten Amtstagen soviel
Bullshit verbrochen“ und „es zeigt wie gefährlich Rechtspopulismus ist“ und die
Aufforderung an das Publikum geht wählen wollen da so gar nicht ins Aerobic-Bild
passen, gut so.
„Hat die
Alte das denn nötig, dass sie jeden Abend so auf die Bühne geht?“ waren
ihre Worte mit denen sie den Shitstorm über sich kommentierte. Die Antwort
darauf gab das Konzert eindeutig,
Es wäre
nämlich zu schade, keinen Blick auf die vielen Tattoos werfen zu dürfen. Und so
ganz nebenbei sendet sie damit eine weitere Botschaft und die ist genauso
eindeutig wie vieles an diesem Abend. Vom perfekten Körper ist auch Frau Weist
weit entfernt, aber wen juckt es? Darauf kommt es, auch wenn einem das
immer wieder vorgegaugelt wird, wahrlich nicht an.
Eine Live-Granate ist „ die Alte" übrigens auch, Jennifer Rostock lohnt sich selbst für einen "NIcht-Rostock-Fan" definitiv.
Die Bilder zum Konzert
Erst ein paar Impressionen